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Das Comeback der Haselnuss

Haselnüsse in einer HandIsabella Hafner
Fachbeitrag Erfahrung
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Der Haselnussanbau gilt in Deutschland als eher unwirtschaftlich. Aktuell wird die Nachfrage durch Importware abgedeckt, vor allem aus der Türkei. In letzter Zeit zeichnet sich aber ein Wandel ab. Insider sehen Entwicklungspotenzial für die regionale Haselnuss. Jochen und Gabi Braun sind Pioniere in dieser Nische.

Jochen fährt mit seinem Erntegerät die Reihen mit Haselnuss-Bäumchen auf seinem Feld ab. Es ist Ende September. Auf diesem Feld bei Waldstetten im schwäbischen Kreis Günzburg ist die Ernte der Emoa-Haselnuss und der Halleschen Riesennuss schon fast vorbei. Auf den anderen Feldern der Brauns geht es in den nächsten drei Woche weiter. Dann ist die Ernte für dieses Jahr gelaufen, für ihn und seine Frau Gabi.

Isabella HafnerMaschine für die Haselnussernte
Der rotierende Arm der Erntemaschine kehrt die Nüsse in die Vorrichtung des Ernte-Traktors.
Isabella HafnerMaschine für die Haselnussernte
Isabella HafnerMaschine für die Haselnussernte
Darin werden die  Bionüsse direkt von ihrem Blätterrock befreit.

Haselnüsse importiert aus Chile, der Türkei und Italien

„Schokoladenfirmen wie Ferrero lassen die Haselnüsse für ihre Produkte von Vertragsbauern unter anderem in Chile anbauen“, sagt Martin Penzel vom Lehr- und Versuchszentrum für Gartenbau in Erfurt. Der Wissenschaftler vom Thüringer Landesamt für Landwirtschaft und Ländlichen Raum  beschäftigt sich intensiv mit der Kultivierung von Haselnüssen.

Wer hierzulande in den Supermarkt geht, bekommt das 200-Gramm-Päckchen Haselnuss-Kerne für 2,29 Euro. Herkunft: Türkei, Italien USA oder – wie kürzlich im Biomarkt entdeckt: aus Aserbaidschan. Laut Pendel exportiert die Türkei die meisten Haselnüsse, mit einem Weltmarktanteil von 80 Prozent. An zweiter Stelle folgt Italien, dann Georgien. Auch aus den USA kommen viele Haselnüsse. Dabei steht in zahlreichen deutschen Gärten ein Haselnussstrauch.

Voll mit ungesättigten Fettsäuren

Die Haselnuss ist nämlich eigentlich keineswegs eine exotische Frucht. Schon die Eiszeit überdauerte sie in Portugal und wanderte danach auch in Mitteleuropa. Wissenschaftler behaupten sogar, die Menschen hätten sich hier gar nicht so schnell verbreitet, hätten sie nicht die Haselnüsse gehabt. Man kann sich das auch vorstellen, denn: Haselnüsse haben viele Kalorien und Fette; aber die guten, die ungesättigten Fettsäuren. Außerdem sind sie voller Proteine und Ballaststoffe. Sie senken – was vor tausenden von Jahren natürlich weniger wichtig war –  Blutdruck und Darmkrebsrisiko.

Isabella HafnerJochen Braun
Jochen arbeitet hauptberuflich als Industriemeister Metall. Seine Erfahrung kam ihm zugute bei den Haselnüssen. Denn er hat selbstständig eine Knackmaschine entwickelt und gebaut, um die getrockneten Nüsse zu zerkleinern.

Das kostet der Haselnussanbau

Warum in ganz Deutschland dann trotzdem nur auf 900 Hektar Haselnüsse angebaut werden, weiß Martin Penzel: „Die Erträge sind stark schwankend, man muss fünf bis sechs Jahre warten, bis man die erste Ernte einfahren kann und das bei Investitionskosten von rund 30.000 Euro pro Hektar.“ Außerdem muss man sich noch eine Erntemaschine zulegen. In der Türkei ist die Ernte viel günstiger. „Kurdische Wanderarbeiter machen das dort für zwölf Euro am Tag. Oder Kinder. Bei uns liegt der Mindestlohn pro Stunde bei zwölf Euro.“

Wie man Haselnüsse anbaut

Isabella HafnerHaselnüsse
Die Haselnüsse von Jochen und Gabi sind relativ groß und haben eine dicke Schale. Gabi erklärt: „Die Industrie will eher die kleinen, da ist die Schale dünner und entsprechend der Nussanteil größer.“ Sie und Jochen setzen dagegen explizit auf die mit der festen Schale. „Die sind optisch ansprechender und leichter zu ernten.“

Die beiden haben ihre Felder in der Gegend verteilt, um das Risiko zu streuen. Jochen erklärt: „Hagel kommt ja oft in so breiten Streifen. Und wenn der dann hier durchzieht, ist alles kaputt. Dann hat man gar nichts.“ Der letzte Hagel hatte auch diese Plantage leicht gestreift. Ihre anderen Felder hatten glücklicherweise nichts abbekommen. Zwar haben ihre Nüsse eine harte Schale, aber die bilden sie erst im Juli richtig aus. Außerdem erntet der Hagel die Haselnüsse möglicherweise ab, wenn sie noch nicht reif sind.

Isabella HafnerHaselnüsse am Baum
Die Haselnusssträucher, oder wie bei Jochen und Gabi, zu Bäumchen veredelt, haben männliche und weibliche Blüten.

Die weibliche Blüte ist rot, klein und unscheinbar. Die männlichen bilden die typischen Kätzchen, die dann bei manchem Allergiker ab Januar die Augen zum Jucken bringen. Dann nämlich öffnen sich diese Kätzchen, wie bei Tannenzapfen der Fall, und lassen die Pollen vom Wind verbreiten. Bienen sind zum Befruchten bei den Haselnüssen nicht nötig. Wichtig dabei aber ist, dass zwei unterschiedliche Haselnuss-Sorten in Reihen nebeneinander stehen.

„Wir ernten die Nüsse, die auf dem Boden liegen. Denn wenn sie der Baum von selbst abwirft, dann sind sie ja auch wirklich optimal reif“, erklärt Gabi. Erst als es möglich geworden war, zu kleinen Bäumen veredelte Sträucher zu pflanzen, war für die Brauns klar, den Haselnussanbau auszuprobieren.

Isabella HafnerHaselnüsse ernten
Die Erntemaschine, die Jochen und Gabi 2022 Jahr von einem Kollegen geliehen haben, um sie zu testen, kann unter den Bäumen durchfahren, um die Nüsse zusammen zu sammeln. Die Maschine ist von einem italienischen Hersteller – dort sind Sonderkulturen eher verbreitet als in Deutschland.

Auch die Wurzeln der Haselnuss-Bäumchen sind im Gegensatz zu den Sträuchern tiefer. Gabi sagt: „Dadurch macht unseren Pflanzen Wassermangel nicht so zu schaffen.“ Sie holen sich Wasser noch in tieferen Erdschichten. Den Sommer 2022 haben ihre Haselnussbäume gut weggesteckt. Jochen erklärt: „Es ist auch dem Klimawandel geschuldet, dass wir auf Haselnüsse setzen.“ Haselnüsse wachsen ja schließlich auch in sehr heißen Ländern. Und: „Die Nuss ist sehr dankbar. So lange sie hier liegt, passiert ihr nichts. Ihre dicke Schale schützt sie auch. Schlecht wird es für sie erst, wenn sie auf einem Haufen liegt und nicht trocknen kann. Wenn man sie zum Beispiel erntet und in einen Sack steckt.“ Nüsse sollten trocken und kühl gelagert werden.

Isabella HafnerMulchen im Haselnussanbau
Jochen erklärt: „Unsere Strategie klappt gut: Wir mulchen seit sieben Jahren konsequent das Gras in die Streifen zwischen den Reihen ein. So sorgen wir für eine gute Bodenqualität mit eigenem Humus, den die vielen Regenwürmer dort produzieren. So wird gebundener Stickstoff aus dem Boden für die Pflanzen verfügbar gemacht.“

„Die Sorten, die wir anbauen, funktionieren bei uns gut – mit der Schwäbischen Alb und den Alpen im Rücken. Die italienischen Sorten wachsen dagegen bei uns nicht gut, die brauchen mehr Sonnenstunden“, erklärt Jochen. Die Nüsse der Brauns haben alle eine dicke Schale. Der gute Nebeneffekt: „Der Nussbohrer mag lieber die dünneren.“ Der Hauptschädling sei zwar noch da, aber relativ aus dem Rennen bei den Brauns.

Isabella HafnerHaselnussanbau
Gegen Mäuse, die sich an den herunter gefallenen Nüssen bedienen könnten, haben Jochen und Gabi dünne, kahle Baumstämme aufgestellt. Da lassen sich Greifvögel gerne nieder und stürzen sich auf Mäuse. Die selbst gebauten Holzstangen mit Sitzmöglichkeit haben die Vögel dagegen konsequent ignoriert.

Warum Haselnüsse eine Nische sind

Gabi und Jochen gehören in Deutschland noch zu den Haselnuss-Pionieren. Sie lassen ihre Schädlinge auch vom Lehrstuhl Ökologische Landwirtschaft der Uni Kassel analysieren. Damit hier das Wissen um den Anbau besser wird.

Gabi hat ihre eigene Theorie, warum sich noch so wenige an den Anbau trauen: „Erstens schreckt viele der Obstbau ab, weil der arbeitsintensiv ist.“ Haselnussanbau zählt zum Obstbau.

Gabi Braun

„Und die Landwirtschaftsämter beraten auch nie in diese Richtung. Die sagen: Baut einen Milchstall, baut einen Schweinestall, macht Getreide, macht Zuckerrüben, macht die gängigen Kulturen, die es hier gibt. Nischen werden nicht groß beworben. Es sagt zum Beispiel auch niemand: Baut Kürbisse an.“ 

Gabi Braun Landwirtin

Sie und Jochen haben sich viel an Wissen um den Haselnussanbau angelesen, haben beobachtet, probiert, verworfen, korrigiert, wieder probiert, haben viele Obstbau-Messen und Praxistage besucht und sich unter den wenigen Haselnussanbauern in Deutschland ausgetauscht.

Von Wochenmarkt bis Onlineshop

Mittlerweile verkaufen die beiden nicht nur ihre Haselnüsse ganz und als Kerne auf Wochenmärkten  und über ihren Onlineshop. Gabi berichtet: „Es kommen nun auch immer mehr Anfragen von Firmen, zum Beispiel Eishersteller.“ Die Anfrage kommen aus ganz Deutschland, weil es eben wenig Bio-Haselnüsse in Deutschland gibt. „Wenn die Erntemengen in Zukunft immer größer werden, weil die Bäume ja größer werden, dann könnte das interessant für uns werden.“

Isabella HafnerGabi Braun beim Verpacken
Gabi beim Verpacken und Etikettieren von Haselnuss-Tomaten-Pesto, gerösteten Nüssne, Haselnuss-Aufstrich, Haselnuss-Porridge, Studentenfutter und Haselnuss-Schnaps.

Dieser Text ist zuerst im Bauerkalender 2024 erschienen. Wer einen möchte, kann sich gerne bei uns melden 🙂

Kommentare 1

  1. Bin über die SWR Sendung aufmerksam geworden. Meine Hochachtung vor der Leistung. Die beiden sind für mich „Unternehmer“ und wünsche allzeit gute Ernte. 07/11.2023

    Andi

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