Ohne Kompromisse ging es nicht. Auch “Gerumpel” im Melkstand gehörte dazu, wenn morgens um 4:30 Uhr Wichtiges besprochen und Entscheidungen gefällt wurden. Peter Schwab und Georg Kleiser bewirtschaften seit 23 Jahren 60 Hektar Grünland gemeinsam und halten 30 Milchkühe. Zwei Menschen, die sich die Verantwortung für den Betrieb einer Größe teilen, den andere im Vollerwerb führen. Ein arbeitsintensives Hobby, wie Schwab es nennt.
Warum sich sechs schwierige Jahre trotzdem gelohnt haben, was das Erfolgsgeheimnis ihrer Zusammenarbeit ist und warum die Zukunft auf dem Spiel steht, erfahrt ihr hier.
Kommunikation muss sein
Morgens gegen vier klingelt für Peter Schwab und seinen GbR-Kollegen Georg Kleiser der Wecker. Um halb fünf sind sie wie jeden Morgen im Melkstand verabredet, um gemeinsam ihre 30 Kühe zu melken. Die Arbeit zu zweit spart Zeit, doch wichtiger noch: Hier wird einander auf dem Laufenden gehalten, diskutiert und auch Entscheidungen werden gefällt.
Den Stalldienst wochenweise aufzuteilen, wie es bei anderen GbRs üblich ist, wäre für Peter Schwab keine Option. Für den Landwirt aus Langenordnach, einem Ortsteil von Titisee-Neustadt im Schwarzwald, steht fest: „Dann musst du andere Wege finden, zu kommunizieren.“ Denn Kommunikation müsse sein. Deshalb hat das Gespräch auf dem Förberhof einen besonderen Stellenwert und ist fest im Alltag verankert.
Zeit für andere Zusammenkünfte den Tag über – eine gemeinsame Tasse Kaffee am Tisch oder ein Abendessen – um Konflikte auszutragen, bleibt nicht. Sicher, auch das kam in den letzten 23 Jahren vor. Aber es war eben nicht die Regel. Denn beide haben einen Vollzeitjob. Peter Schwab arbeitet im Steinbruch, Georg Kleiser ist als Elektriker bei einer Firma angestellt.
Neben seinem Anstellungsverhältnis mit 100% investiert der gelernte Landwirt und einstige LKW-Fahrer 30 bis 40 Stunden pro Woche in den Betrieb. „Trotzdem ist es für mich ein Hobby“, erzählt Peter Schwab schmunzelnd, „weil es mir Spaß macht und mein Herzblut darin steckt. Anders würde es auch nicht gehen.“
Große Ziele ohne den Blick für die Realität zu verlieren
Als die beiden sich im Jahr 2000 als GbR zusammenschlossen, war nicht klar, ob sie es schaffen würden, eine gute Zusammenarbeit aufzubauen. Realistisch blickten sie auf ihr Vorhaben und beschlossen, sollten sie es gemeinsam so weit bringen, in 20 Jahren neu zu entscheiden. Zwei Menschen, die sich die Verantwortung für den Betrieb einer Größe teilen, den andere im Vollerwerb führen. Zwei Menschen mit unterschiedlichen Einstellungen, Werten und Erwartungen. „Jeder empfindet anders, da muss man einen Kompromiss finden und dann geht man gemeinsam da durch“, erzählt der Landwirt vom Alltag seiner GbR.
Was den zweien neben den Vorzügen eines Angestelltenverhältnisses noch zu Gute kommt: Sie wussten beide jederzeit, wie es ist, unter einem Chef zu arbeiten und dass man nicht immer seinen eigenen Kopf durchsetzen kann. Das habe das ein oder andere Mal geholfen, nachzugeben und einen Kompromiss zu schließen.
Höhen und Tiefen
Eine GbR ist kein Kinderspiel. Das wusste Peter Schwab und resümiert die Zusammenarbeit, die von Höhen und Tiefen geprägt war: „Das ist ja auch in einer Beziehung so. Die besteht leider Gottes auch nicht nur aus Harmonie und schöner Zeit. Es gibt auch immer Diskussionen und Reibereien. Es kann sein, du redest mal ein oder zwei Tage nicht miteinander, aber alles kommt auf den Tisch und dann funktioniert es auch.“ Der 60-Jährige erzählt von sechs schwierigen Anfangsjahren, in denen es im Melkstand häufiger rumpelte. Trotzdem wurde die Arbeit gemeinsam erledigt, man raufte sich immer wieder zusammen. Und dann ging es auch wieder bergauf! 2020 war klar: Sie haben etwas geschafft, das nicht selbstverständlich ist. Was sie sich mühsam erarbeitet hatten, sollte fortgesetzt werden.
Unterdessen bewirtschafteten sie 60 Hektar Grünland gemeinsam und auch die tagtäglichen Stallarbeiten sowie die Fleischvermarktung ihrer Rinder lag in den Händen beider Geschäftspartner. Flächen, Tiere und Maschinen wurden einst zum Gegenstand der GbR erklärt. Erzielte der Betrieb Gewinn, wurde dieser entsprechend der eingebrachten Anteile verteilt. Dennoch wird auf dem Förberhof nicht alles aufgerechnet: „Viele rechnen ja dann alles auf. Du hast den Schlepper 60 % im Wald und ich habe ihn nur 20 % zum Beispiel, aber das bringt alles nichts, wenn es nicht generell harmoniert“, findet Schwab.
„Ich finde unser GbR-Konzept genial!“
Peter Schwab Landwirt aus LangenordnachNicht nur wirtschaftlich erfolgreich
Peter Schwab und Georg Kleiser machen einiges richtig. Der Förberhof trägt sich selbst und darüber hinaus bleibt für beide Partner noch etwas Geld hängen. In der Vermarktung ihrer Milch über die Molkerei Schwarzwaldmilch, sieht der Landwirt einen entscheidenden Vorteil: Jeden Monat kommt Geld rein, womit sich kalkulieren lässt. Fleischvermarktung als Einkommensquelle läuft anders. Auch das machen die beiden. Sie legen Wert auf Regionalität. Deshalb werden möglichst viele Tiere an einen ortsnahen Caterer abgegeben.
Nur selten kaufen sie Tiere zu, stattdessen setzen sie auf die eigene Aufzucht. Generell gilt: So effizient wie möglich sein und Zeit sparen, wo es nur geht. Zwei Tage Zeit für’s Fahrsilo aufbringen ist im vollen Alltag der beiden undenkbar. Deshalb produzieren sie Ballen mit Heu und Silage.
Ihr Vorteil: Beide Arbeitgeber lassen den Landwirten bestimmte Freiheiten, damit sie die wetterbedingt oft kurzen Zeitfenster für die Arbeiten draußen nutzen können. Vollzeitjob, Landwirtschaft im Nebenerwerb und Familie – alles unter einen Hut zu bringen erfordert Flexibilität und perfekte Organisation.
Dass die beiden flexibel sind, zeigt sich nicht nur darin, wie sie ihren Betriebsalltag strukturiert haben. Auch die Bauweise des Stalls, der 2000 gebaut wurde, erzählt die Geschichte zweier Männer, die vorausschauend handeln. Freitragend sollte die Halle sein und mit Holz verbaut, wo sonst Metall genutzt wird. So reduziert sich die Verletzungsgefahr der Tiere und weil es innen keine Stützen gibt, kann das Gebäude irgendwann auch für die Bullenmast oder andere Betriebskonzepte umgebaut werden.
Hofnachfolge unklar
Denn für Peter Schwab ist klar: „Man muss anfangen, sich damit abzufinden, dass sich vieles ändern wird. Das muss sich jeder irgendwann eingestehen.“ Was er damit meine? Die Betriebsnachfolge ist noch ungeklärt. Dennoch steht für den 60-Jährigen fest, dass er die Landwirtschaft nicht weitermacht bis er 80 oder 90 Jahre alt ist.
Auch dass die Milchwirtschaft irgendwann aufhöre, sei sicher. Denn seine beiden erwachsenen Söhne wissen schon jetzt: „Was du machst, das machen wir nicht.“
Peter Schwab hat Verständnis dafür. Für die jungen Menschen habe Freizeit einen anderen Stellenwert. Anders als er selbst finden seine Söhne ihre Erholung nicht, wenn sie zwei, drei Stunden im Wald arbeiten. Und den Alltag so stark zu strukturieren und getaktet zu wissen, wie die beiden GbR-Partner es handhaben, sei für die jüngere Generation auch ein Problem.
Die Hofnachfolge ist ungeklärt, trotzdem bleibt der 60-Jährige gelassen. Nicht immer war er verständnisvoll. Seine Kinder haben auch Druck zu spüren bekommen, erzählt er. Zum Beispiel, als er darauf drängte, dass einer den Betrieb irgendwann übernehmen müsse. Später erkannte er, dass es wichtig ist, dass seine Söhne ihren eigenen Weg gehen. Stolz erzählt er von deren beruflichen Werdegängen und davon, dass sie mittlerweile von selbst zu ihren landwirtschaftlichen Wurzeln „zurückkommen“ und sich einbringen.
„Man muss anfangen, sich damit abzufinden, dass sich vieles ändern wird. Das muss sich jeder irgendwann eingestehen.“
Peter Schwab Landwirt aus LangenordnachFamilie hat einen hohen Stellenwert
Schon immer hatte die Familie einen hohen Stellenwert für den Landwirt. Beide Frauen der GbR-Kollegen sprangen ein, wenn die Männer mal verhindert waren. Und auch auf die Kinder war Verlass, wenn die Arbeit für zwei alleine zu viel wurde.
Noch immer hilft Schwabs Mutter im Alter von 85 Jahren regelmäßig die Kälber zu versorgen. Sie wohnt unweit des Stalles, während Schwab mit seiner Familie fünf Autominuten von der Hofstelle entfernt in Neustadt wohnt. Als Kind habe er unter den Streitigkeiten der beiden älteren Generationen im Haus gelitten. Deshalb wollte er mehr Distanz und traf diese Entscheidung, wenn auch nicht leichtfertig. Was damals für seine Eltern schwer gewesen sei, stimme heute alle glücklich. „Wenn ich abends hier gehe, mache ich diese Tür zu, gehe zu Hause die nächste Tür rein, schließe ab und dann ist mein Arbeitstag abgeschlossen. Das ist ein Wahnsinns-Vorteil und auch etwas, wieso unsere GbR so gut funktioniert, denke ich. Wir wohnen beide nicht an der Hofstelle“, erklärt der 60-Jährige, während wir im Melkstand stehen, dem Herz der GbR sozusagen.
Das Konzept fordert Flexibilität und macht flexibel
Das GbR-Konzept erfordert Flexibilität und macht gleichzeitig flexibel. Es ließ zu, dass die Familie Zeit fand, in den Urlaub zu fahren und regelmäßig am Wochenende frei hatte. Denn während Peter Schwab und Georg Kleiser unter der Woche morgens gemeinsam im Melkstand stehen, übernimmt einer von beiden wochenweise den Stalldienst am Abend und die Versorgung der Tiere am Wochenende. Jedes zweite Wochenende frei zu haben, sei ein Luxus. Denn für Peter Schwab gab es immer noch mehr: Neben der Arbeit im Steinbruch und in der Landwirtschaft wollte er weiteren Hobbys nachgehen.
Die Welt bereist
Er fuhr Motorrad und bereiste die Welt – war in Finnland, Marokko oder auf den Kanaren unterwegs. Er konnte darauf vertrauen, dass sein GbR-Kollege währenddessen den Betrieb am Laufen hielt. Nun möchte er gerne Norwegen erkunden, jetzt wo seine Frau und er noch fit sind, sagt er.
Da Gesundheit nicht selbstverständlich und die Ungewissheit der Zukunft die Regel ist, verwirklicht der Landwirt seine Ideen und Träume, wann immer es die Zeit zulässt. Es treibt ihn an und helfe dabei, die Veränderung anzunehmen und das loszulassen, was ihm so viel bedeutet. Denn: „Es ist keine Frage, es werde nicht leicht“, sagt der 60-Jährige, als es darum geht, dass der Betrieb im schlimmsten Fall verkauft werden müsse, wenn sich keine familiäre oder außerfamiliäre Hofnachfolge findet.
Ob er rückblickend etwas anders machen würde?
Anders als andere Kinder, die in der Landwirtschaft aufwachsen, genossen Schwabs‘ Söhne das Privileg, andere Länder und Orte zu entdecken und neue Blickwinkel zu gewinnen. Heute haben sie eigene Vorstellungen vom Leben und gehen ihren Weg.
Auch wenn der Vater und Landwirt sich zwischendurch immer wieder fragte, ob er in familiärer und geschäftlicher Hinsicht alles richtiggemacht habe: Wenn er abends zwischen neun und zehn nach Hause kommt, ist er glücklich mit den Entscheidungen, die er getroffen hat und würde es wieder so tun.
Er reflektiert sich selbst, weiß, was er will, scheut keine Konflikte und packt die Dinge an: Erfolgsgeheimisse, die Peter Schwab rundum zufrieden wirken lassen und auf eine Zukunft vorbereiten, die bis dato ungewiss bleibt. Sicher ist: Morgen um vier klingelt der Wecker, das Herzblut treibt sie aus dem Bett. Im Melkstand erwarten sie ihre Tiere und die Leidenschaft verbindet die beiden. Peter Schwab und Georg Kleiser haben eine Erfolgsgeschichte geschrieben, die anderen ein Vorbild sein kann.