Zum ersten Scheunengespräch am Weltbauerntag, 1. Juni, lud der BLHV Vertreter der EDEKA Südwest ein, um mit ihnen darüber zu sprechen, wie man es gemeinsam schaffen kann, mehr Wertschätzung und Wertschöpfung für regionale Produkte zu erzielen.
Die Landwirtschaft in Südbaden steht derzeit vor großen Herausforderungen: Steigende Kosten für Energie und Betriebsmittel treffen auf eine Inflation und eine damit einhergehende Veränderung im Kaufverhalten der Verbraucher. Sparen ist angesagt und das geht am besten bei den Lebensmitteln. Wie sich die unter hohen Standards produzierten heimischen Lebensmittel dennoch wertschöpfend vermarkten lassen, lässt sich so leicht nicht beantworten. Was jedoch klar ist: Alleine lösen wir diese Probleme nicht. Umso wichtiger ist es daher, mit verschiedenen Akteuren ins Gespräch zu kommen.
Eine gut gemischte Runde
Auf dem Betrieb der Familie Busam im Renchen-Erlach kamen ca. 30 Personen bei Sekt und kaltem Buffet zusammen und folgten der Podiumsdiskussion. In der Podiumsdiskussion trafen BLHV-Präsident Bernhard Bolkart, Landwirt Thomas Huschle und der Vorsitzende der Erzeugergemeinschaft Schwarzwald Bio-Weiderind Markus Kaiser auf Andreas Pöschel, Geschäftsführer der EDEKA Südwest Fleisch und Katharina Gänger, Abteilung Landwirtschaft und Tierschutz der EDEKA Südwest Fleisch. Moderiert wurde die gemischte Runde von Anne Körkel, Landwirtin und Trägerin des Ceres-Awards als Unternehmerin des Jahres 2017.
Zweisprachigkeit der Verbraucher
Als wesentliches Problem wurde von den Podiumsgästen die geringe Bereitschaft der deutschen Verbraucher benannt, Geld für qualitativ hochwertige Lebensmittel auszugeben. Das Kaufverhalten der Deutschen unterscheide sich stark von dem in anderen Ländern. Als Beispiel wurde Frankreich herangezogen. Dort sei es üblich, mehr für gute Lebensmittel auszugeben. “Der deutsche Verbraucher ist durch die Discounter seit Jahrzehnten auf Billigpreise konditioniert.”, kritisiert auch Andreas Pöschel.
Gleichzeitig fordern die Bürger, dass Tierwohlstandards eingehalten werden und klimaschonend produziert wird. Trotz einer zunehmenden Preisorientierung aufgrund der grassierenden Inflation sieht Pöschel gute Chancen für einen Rückbau der „Zweisprachigkeit der Verbraucher“, die am Eingang des Geschäfts eine hohe Nahrungsmittelqualität loben und im Laden selbst hauptsächlich auf den Preis achten.
Qualitätsprogramme wirken doppelt
Regionalbezogene Qualitätsprogramme, die hohe Tierwohlstandards einhalten, seien die richtige Antwort auf die gegenwärtigen Marktanforderungen. Diese wirken, so Pöschel, doppelt: Sie nutzen sowohl dem Lebensmittelverkauf als auch der landwirtschaftlichen Produktionsebene, weil durch die Marke eine Abgrenzung gegenüber anderen Produkten möglich wird und verbesserte Erzeugerpreise erzielt werden können. Mit Abnahmegarantien wird gleichzeitig auch viel vom Produktionsrisiko auf die Vermarktungsebene verlagert, sowohl beim Schwarzwald Bio-Weiderind als auch beim Programm Hofglück, das die Haltungsform 4 für Schweine und Geflügel voraussetzt und dabei bis zu zehnjährige Abnahmeverträge anbietet.
Um die Mehrwerte dieser Produkte effizient kommunizieren zu können, bedarf es jedoch einer vertikalen Zusammenarbeit in der Vermarktung. Dazu müssten auch die Landwirte „raus aus der Anbieterneutralität“, so Pöschel. Auch Katharina Gänger, die bei EDEKA unter anderem das Hofglück-Programm betreut, machte deutlich: „Die Landwirte müssen raus aus der Zurückhaltung und zeigen, was sie haben!” Nur so lasse sich die Qualität und der Mehrwert der heimischen Produkte erfolgreich kommunizieren, was wiederum die Bereitschaft der Verbraucher, mehr Geld für diese Produkte auszugeben, erhöhen kann.
Mehrere Standbeine nutzen
Auch Direktvermarkter Thomas Huschle bemerkte in den vergangenen Monaten einen Umschwung im Kaufverhalten. Die Stammkunden, die zu ihm auf den Hof kommen, kaufen nicht unbedingt weniger, einige kommen jedoch gar nicht mehr. Eine Vermarktung ausschließlich über den Lebensmitteleinzelhandel sei für ihn jedoch keine Option, weil dort hauptsächlich preisbezogen gehandelt werde. “Beim LEH kommt das Wort Preis sehr oft vor. Auch bei der Werbung hat der Preis eine bestimmende Funktion.”, so Huschle.
Der Erzeuger erläuterte, dass er als einzelner gegenüber LEH-Ketten keine Einflussmöglichkeiten habe. Er bekannte aber, dass er selbst schon mal die Gründung einer Erzeugergemeinschaft für Rindfleisch anstrebte. Die großen Herausforderungen bei der Koordinierungsarbeit konnte er bisher allerdings noch nicht umsetzen. Der Landwirt schätzt, dass der Weg zur Verwirklichung weiterer Qualitätsprogramme noch weit sein wird, solange der Preis im Verbrauchergeschehen seine bestimmende Rolle beibehält. Huschle setzt daher auf Flexibilität und Diversifizierung. “Einer Vermarktungsschiene stur nachzulaufen, die nicht passt, das ist gefährlich!”, so der Landwirt.
Bündelung und Absprache
Markus Kaiser berichtet von seinen Erfahrungen bei der Zusammenarbeit mit EDEKA Südwest. Für ihn sind insbesondere die langfristigen Absprachen mit dem Handelskonzern eine wichtige Stütze. “Weil der Preis stimmt, können wir gut vermarkten. Wir wissen jetzt schon was 2023 vermarktet wird.”, so der Landwirt. Langfristige Abnahmeverträge liefern ihm und den 180 Mitgliedern der Erzeugergemeinschaft Sicherheit.
Die EZG wurde vor fast dreißig Jahren gegründet. Ausschlaggebend dafür war der Kontakt zum EDEKA-Kaufmann Martin Schmidt, der Interesse an der Vermarktung von regionalem Rindfleisch bekundet hatte. Für Markus Kaiser und die Mitglieder der EZG war das ein wichtiger Schritt: “Der Schwarzwald hat viele Rinder aber zu wenige Menschen. Die Verbraucher können nicht alle auf die Betriebe kommen, das funktioniert nicht.”, merkt der Bernauer an. Deshalb sei der Weg über EDEKA naheliegend. Funktionieren würde das System, so Kaiser, weil die Koordinationsstelle der EZG die Bündelung der Tiere übernimmt und als Ansprechpartner für EDEKA zur Verfügung steht. “Wenn ein Anruf kommt, können wir beispielsweise dreißig Tiere übernehmen und die Lieferung bündeln.”
Auch die Futterberatung durch Anne Wegerhof von Naturland spiele eine wichtige Rolle, damit am Ende die Qualität stimmt und der Handel das Fleisch abgesetzt bekommt. Auf die Nachfrage von Moderatorin Anne Körkel, wie man vorgehe, wenn die Qualität doch mal nicht stimmt, entgegnete er: “Dann redet man miteinander.”
Raus aus dem Einzelkämpfertum
Nach Bolkarts Einschätzung wird es auch künftig die Vermarktung sein, auf die sich das Einkommen der Erzeuger hauptsächlich stützt – die Ausgleichszahlungen der GAP müssten als eine Ergänzung angesehen werden. Hier liegt jedoch auch die große Herausforderung, denn der kleinstrukturierten Landwirtschaft in Südbaden stehen die zentralisierten Einkaufsstrukturen des Lebensmitteleinzelhandels und der Discounter gegenüber.
Damit eine wertschöpfende Vermarktung in der kleinteiligen Erzeugerstruktur Baden-Württembergs funktioniert, muss in seinen Augen das genossenschaftliche Verbundsystem ausgebaut werden. „Wir müssen raus aus der Kontaktarmut, die Beschränkungen aus der Corona-Zeit haben uns da zusätzlich geschadet“, so der Präsident. Er kritisierte in diesem Zusammenhang das in der Landwirtschaft weit verbreitete Einzelkämpfertum: “Bei uns bleibt der Gesprächsaustausch häufig auf der Strecke. Früher gab es einen regelmäßigen Austausch an der Milchsammelstelle, das ist heute anders.”, so Bolkart. “Der Landwirt ist als Einzelkämpfer jedoch nicht zielführend.”
Besonders mit Blick auf die kleinstrukturierte Landwirtschaft in Südbaden hält er es deshalb für wichtig, den Genossenschaftsgedanken mehr in die Fläche zu bekommen, die Landwirte bei der Gründung von Zusammenschlüssen und Erzeugergemeinschaften zu unterstützen und sich vor einem konstruktiven Austausch entlang der gesamten Wertschöpfungskette nicht zu verschließen.
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