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Familie, Hof, Lebensglück – Warum die Gleichstellung von Frauen auch Männersache ist

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Fachbeitrag
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Wie sieht es aus mit Frauen in der Landwirtschaft? Wie viele von ihnen leiten einen Hof? Werden sie bei der Hofnachfolge genauso wie Söhne berücksichtigt? Wie zufrieden sind sie und wie geht es ihnen gesundheitlich? Antworten auf diese Fragen belegt das Thünen-Institut für Betriebswirtschaft gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Soziologie Ländlicher Räume der Uni Göttingen nun mit Zahlen. Der Deutsche Landfrauenverband (dlv) hatte die Studie ins Rollen gebracht. Mehr als 7000 Frauen nahmen daran teil.

Hohe Lebenszufriedenheit – wenige Betriebsleiterinnen

Die Studie zeigt, dass die befragten Frauen ihre Lebenszufriedenheit trotz hoher Arbeitsbelastung und fehlender Planungssicherheit insgesamt als sehr hoch einschätzen. Gründe hierfür sind, die eigenen Kinder auf dem Betrieb aufwachsen zu sehen, die ländliche Wohnlage sowie das Arbeiten in der Natur und mit Tieren. Jedoch macht die Studie ebenso deutlich, dass bundesweit von Gleichstellung der Geschlechter in den landwirtschaftlichen Betrieben kaum die Rede sein kann: Obwohl Frauen auf den Betrieben hohe Verantwortung tragen, sind aktuell nur 11 Prozent der Betriebsleitungen weiblich. Das hängt laut Auswertung zumeist mit traditionellen Rollenbildern und -verständnissen zusammen, die dazu führen, dass die Mehrzahl der Familienbetriebe an einen Sohn und nicht an eine Tochter übergeben werden.

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Wie oft wohl Betriebsleiterinnen auf einem Hof gefragt werden, wo der Chef zu finden sei?

Männer müssen Traditionen ebenfalls aufbrechen

Bei der vorgesehenen Hofnachfolge beträgt der Frauenanteil rund 18 Prozent. Damit rangiert Deutschland im europäischen Vergleich auf den letzten Plätzen. Janna Luisa Pieper vom Lehrstuhl für Soziologie Ländlicher Räume der Uni Göttingen sagt hierzu: „Damit mehr Frauen Höfe übernehmen und leiten, ist ein grundlegender Wandel der landwirtschaftlichen Traditionen erforderlich, gepaart mit mehr Aufklärungsarbeit an landwirtschaftlichen Bildungseinrichtungen. Wichtig dabei ist: Diese Aufklärungsarbeit sollte sich nicht nur an Frauen richten; eine geschlechtergerechte Landwirtschaft geht alle an.“ Klar wird damit also: Wenn auch Männern die Gleichstellung tatsächlich wichtig ist, ist ihr entsprechendes Engagement gefragt, auch an ihnen liegt es, Rollenklischees aufzubrechen.

Burnout-Gefahr bei 1/5 der Frauen

Zwar wird die subjektive Wahrnehmung der Gesundheit als sehr gut beschrieben, jedoch bergen vielfältige Rollenerwartungen die Gefahr der Überlastung. So sehen sich 21,4 Prozent der befragten Frauen als burnoutgefährdet. dlv-Vizepräsidentin Juliane Vees appelliert: „Der psychischen Gesundheit von Landwirtinnen und Frauen auf den Betrieben gilt es mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Das Thema muss gerade auch im Berufsstand raus aus der Tabu-Zone, damit betroffene Frauen sich nicht scheuen, Hilfe von außen zu fordern und anzunehmen.“

Die große Schwachstelle? Soziale Absicherung

Schwachstellen weist laut Studie die soziale Absicherung der Frauen auf. Da die Rente der Landwirtschaftlichen Rentenkasse (LAK) nur als Teilkassenleistung konzipiert ist, müssen Frauen wie auch Männer ihre Alterssicherung aus mehreren Bausteinen zusammenstellen. dlv-Präsidentin Petra Bentkämper macht auf ein Problem aufmerksam: „Die Alterssicherung wird dann geschlechtsspezifisch, wenn es um Scheidung oder den Tod des Partners geht. Hier ist die Gefahr der weiblichen Altersarmut deutlich höher und noch zu wenige sind über Verträge oder Testamente abgesichert. Über diese Risiken muss offen gesprochen werden.“ Und Zazie von Davier vom Thünen-Institut für Betriebswirtschaft ergänzt: „Frauen verstehen sich oft als (Mit-)Unternehmerin, auch wenn sie nicht rechtlich am Betrieb beteiligt sind. Für ihre vielfältigen Leistungen und Verantwortlichkeiten auf den landwirtschaftlichen Betrieben sollten sie eine gleichwertige und unabhängige Alterssicherung einfordern.“

„Wertschätzung ist wichtig, Anerkennung auch, aber darüber darf die finanzielle und soziale Absicherung nicht vergessen werden.“

Cem Özdemir Bundeslandwirtschaftsminister

Die bessere Absicherung sei für ihn eine ganz zentrale Botschaft der Landfrauenstudie, betont der Minister. Deutlich wurde durch die Studie auch, dass es zwar zahlreiche Beratungsangebote zu Altersvorsorgethemen gibt, diese aber von den Frauen nicht genügend wahrgenommen werden.

Klare Handlungsempfehlungen

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Oft nur wenn alte Traditionen aufgebrochen werden, können Frauen die Hofleitung übernehmen.

Die Untersuchung bestätigt, dass Frauen auf landwirtschaftlichen Betrieben vielfältige Rollen übernehmen und eine breite Palette an Leistungen erbringen, ohne dass diese in der Agrarstatistik sichtbar werden. Özdemir unterstreicht, dass die Studie klare Handlungsempfehlungen enthält, wie die Lebens- und Arbeitswirklichkeit von Frauen in der Landwirtschaft verbessert werden kann. Konkret werden etwa niedrigschwellige Förderprogramme für landwirtschaftliche Existenzgründerinnen und eine bessere Aufklärung von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern über die gesundheitlichen Risiken für Frauen am Arbeitsplatz in der Landwirtschaft und zu Regelungen zu Mutterschutz sowie Elternzeit vorgeschlagen. Ebenso sollte die Position von Hofnachfolgerinnen und potenziellen leitenden Angestellten in Form von speziellen Lehrgängen oder Mentoring-Programmen gestärkt werden.

Weitere Infos gibt es auf der Seite der Studie und auch beim Bundesministerium.

Fotobroschüre bietet Einblicke

Zu den Ergebnissen der Landfrauenstudie hat das Studienteam bestehend aus Thünen-Institut und Uni Göttingen in Kooperation mit dem Deutschen Landfrauenverband eine Fotobroschüre herausgegeben. Unter dem Titel „Frauen. Leben. Landwirtschaft.“ geben Texte, Interviews und Fotos Einblicke in die unterschiedlichen Rollen und Leistungen von Frauen in landwirtschaftlichen Betrieben. Sie ist hier online zu finden.

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