Vor gut einem Jahr haben die Delegierten beim Deutschen Bauerntag in Lübeck beschlossen, dass das Projekt Zukunftsbauern in den Landesverbänden weiterentwickelt werden soll. Grundlage waren Studien über das Selbst- und Fremdbild der Landwirtschaft. Aber was steckt dahinter – in der Theorie und in der Praxis?
Warum Zukunftsbauer?
Landwirt:innen kennen das Problem, dass zwischen den Wünschen der Gesellschaft und realem Verhalten eine große Lücke klafft. Gefordert werden Tierwohl, Umwelt-, Arten- und Klimaschutz. Dazu kommt: Viele haben die konventionelle Landwirtschaft im Verdacht, Verursacher von Umweltschäden zu sein, und fordern eine Transformation oder die Agrarwende.
Doch im Supermarkt orientiert sich der Kunde nur am Preis und kauft lieber günstig statt nachhaltig. Die Landwirtschaft kritisiert dieses Verhalten und beschuldigt wiederum die Verbraucher:innen und Politiker:innen der Ahnungslosigkeit. Zudem verteidigen Landwirt:innen die in der Öffentlichkeit unbeliebten Produktionsweisen und fordern zum einen die Verbraucher:innen auf, ihren Konsum umzustellen und zum anderen von der Politik, sich an den Anforderungen der Praxis auszurichten.
Dieses System der Anschuldigungen und Vorwürfe hat sich in unserer Gesellschaft zementiert, weil es alle Beteiligten in eine bequeme Rolle versetzt: Jeder kann die Schuld an den anderen weitergeben und muss sich nicht selbst verändern. Dieses „Schwarzer-Peter-Spiel“ bedeutet Stillstand.
Existenzbedrohendes System
Für die landwirtschaftlichen Betriebe ist dieses System jedoch existenzbedrohend: Denn es erhöht den Kostendruck weiter und bietet kaum Möglichkeiten für eine nachhaltige Betriebsentwicklung. Auch die Umwelt leidet unter diesem System, weil die Verantwortung für Umweltschäden immer weitergegeben wird.
Das Projekt Zukunftsbauern möchte dieses Spiel beenden und eine echte Veränderung im Sinne aller herbeizuführen. Als erstes müssen wir verstehen, wie Vorurteile gegenüber der Landwirtschaft entstehen und was man ihnen entgegensetzen kann. Eine Studie im Auftrag des Deutschen Bauernverbandes, genannt Rheingold-Studie, hat diesen Sachverhalt untersucht und auf Grundlage von Umfragen Lösungsansätze entwickelt. Einige davon stellen wir hier vor.
Zukunftsbauern: Die Macht der Narrative
Narrative sind Geschichten, die sich besonders schnell, ähnlich wie eine ansteckende Krankheit, in der Gesellschaft verbreiten. Durch ihre „Ansteckungsfähigkeit“ nehmen sie großen Einfluss auf die öffentliche Meinung.
Insbesondere gegenüber Minderheiten werden Narrative auf Grundlage von Vorurteilen entwickelt. Die eigentliche Geschichte entsteht dann durch Zuspitzung und Überzeichnung von zum Beispiel wahren Begebenheiten oder Einzelfällen. So kann nicht geleugnet werden, dass es in der landwirtschaftlichen Tierhaltung Fälle von Tierquälerei gibt. Obwohl das noch lange nicht bedeutet, dass alle Landwirt:innen Tierquäler:innen sind, existiert das Narrativ, dass gerade konventionell wirtschaftende Betriebe Profit über Tierwohl stellen. So entsteht das Narrativ „Landwirte sind Tierquäler“.
Im Wesentlichen gibt es noch drei weitere Narrative über die Landwirtschaft. Ihre Entstehung und Hintergründe werden in dem Buch „Zukunftsbauer – Über die Analyse und Gestaltung des öffentlichen Vertrauens“ ausführlich erläutert. Sie beschreiben nicht die Realität oder das Selbstbildnis der Landwirte, vielmehr projizieren sie Ängste und Wünsche der Gesellschaft auf die Landwirtschaft. Wenn sich also die Bevölkerung um das Wohl der Tiere oder die Umwelt sorgt und die Landwirtschaft als Verursacher wahrnimmt, dann entstehen Narrative, die Landwirte als Umweltzerstörer oder Tierquäler darstellen.
Ein anderes Narrativ über die Landwirtschaft nährt sich nicht aus einer Sorge, sondern aus einer Sehnsucht: Öko-Bauern stehen für einen positiven Umgang mit Boden, Pflanzen und Tieren. Oft wird mit ihnen auch ein idyllisches Familienbild verknüpft, das nicht vom modernen Alltagsstress geprägt ist. Hier spiegelt sich der gesellschaftliche Wunsch nach Entschleunigung und Naturverbundenheit wider.
Narrative müssen also nicht immer negativ besetzt sein. Wenn sie gesellschaftliche Wünsche bedienen, dann können sie die öffentliche Meinung zu einem Thema oder einer Berufsgruppe positiv beeinflussen. Beim Projekt Zukunftsbauern geht es nun darum, die bestehenden Narrative durch neue, positive Geschichten zu ersetzen.
Aber welche Geschichten haben das größte Potenzial zum Narrativ zu werden und welche nicht?
Ernährer oder Zukunftsbauern
Landwirtschaftliche Imagearbeit versuchte stets, positiv besetzte Narrative über die Landwirtschaft zu verbreiten, die die Landwirte als Ernährer oder Versorger darstellen. Diese konnten die negativen Narrative jedoch nicht verdrängen. Auch das Narrativ, dass nur Öko-Landwirtschaft gut für Tier, Boden und Umwelt ist, blieb davon weitestgehend unberührt. Der Grund dafür ist, dass die Geschichte des Ernährers weder einen Wunsch noch eine Sorge der Bevölkerung bedient. Die Lebensmittelversorgung gilt in Deutschland als gesichert, auch jüngste Krisen konnten diese Sicherheit nicht erschüttern.
Die Bevölkerung muss sich also keine Sorgen um die Ernährung machen und noch weniger sehnt sie sich nach einer sichereren Versorgung, die ohnehin gegeben ist. Vielmehr sieht sie die Lebensmittelproduktion als eine selbstverständliche Aufgabe der Landwirtschaft an. Ähnlich wie man selbstverständlich erwartet, dass die Autoindustrie Autos produziert. Daher können Narrative, die die Landwirte als Ernährer darstellen, keinen Umbruch in der öffentlichen Wahrnehmung erzeugen.
Im Konzept Zukunftsbauer werden Landwirte als fortschrittsoffene Fachleute gezeigt, die mehr wollen als reine Ertragssteigerung. Sie wollen auch Tierwohl- und Nachhaltigkeitsaspekte in ihrer Betriebsentwicklung berücksichtigen.
Was ist ein Zukunftsbauer?
So viel zur Theorie. Wie sieht das nun in der Praxis aus? Hier ein paar konkrete Beispiele für das Narrativ-Konzept „Zukunftsbauer“.
So ist ein wichtiges Element, dass Zukunftsbauern modernste Technik mit Tradition in Einklang bringen. Allgemein geht es darum, die Zukunftsfähigkeit der Landwirtschaft in den Vordergrund der öffentlichen Wahrnehmung zu stellen und damit bewusst einen Kontrapunkt zur öffentlichen Meinung zu setzen, die die Landwirtschaft als rückständig und eher konservativ einschätzt.
Von einer zukunftsfähigen Landwirtschaft wird erwartet, dass sie Nachhaltigkeit und Effizienz vereint, also den besten Ertrag bei möglichst geringen Umweltschäden erzielt. Das entspricht in großen Teilen auch dem Konzept der ökologischen Intensivierung, welches von vielen Agrarwissenschaftlern begrüßt wird.
Solche Themen eignen sich sehr gut, um „Geschichten“ über die Landwirtschaft zu erzählen, die von den Medien gerne aufgenommen werden. Zudem erhalten Landwirt:innen, die solche Methoden einsetzen, oft eine besondere Wertschätzung, weil sie sich bemühen, neue Wege für eine bessere Zukunft zu finden.