Steigende Temperaturen, Starkregen, Sommertrockenheit und Spätfrost – die Agroforstwirtschaft bietet viele Möglichkeiten, diese düsteren Prognosen abzupuffern – auch im Grünland.
Agroforst im Grünland baut auf der traditionellen Streuobstwiesenbewirtschaftung auf. Gehölze werden streifenförmig oder als Einzelbäume auf Grünland und Acker gepflanzt. Die Wirkung ist beachtlich: Durch die Gehölze verdunstet weniger Wasser, weil sich die Luftfeuchtigkeit auf den Gehölzen niederschlägt und kondensiert, anstatt zu verschwinden. Gleichzeitig schützen sie Weidetiere vor Kälte, Wind und Hitze.
Allgemein hat die Kühlung von Landschaften durch grüne Vegetation einen deutlichen Effekt, vor allem im Hinblick auf die Sommertrockenheit. Agroforstberater Tobias Hoppe zeigt die Ergebnisse einer Studie: Im Sommer herrschte zwischen der Oberflächentemperatur einer frisch abgemähten Wiese und einer angrenzenden Feuchtwiese ein Temperaturunterschied von über 13 °C. Selbst ein einzelner Löwenzahn hat einen kühlenden Effekt auf das Mikroklima.
„Agroforst bringt eine hohe Effizienz mit sich und erzielt durch die positiven Wechselwirkungen mehr als die Summe aller Teile.“
Tobias Hoppe Bioland-Berater für AgroforstBei Versuchen im Ackerbau wurde festgestellt, dass durch Gehölzstreifen die Winderosion deutlich abnehmen kann. „Zwar verringern Gehölzstreifen erstmal den Ertrag, aber in trockenen Jahren verringern sie die Ertragsminderung, gleichen sie aus und erhöhen teilweise den Ertrag gegenüber Flächen ohne Gehölzstreifen“, meint der Agroforstberater.
Vier Beispiele für Agroforst im Grünland
Doch zurück zum Grünland. Hier gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten: „Von der Unterstützung bestehender Strukturen bis zur Diversifizierung über ein neues Betriebsstandbein ist im Agroforst alles möglich“, so Hoppe. Daraufhin zeigt er ein Bild von sogenannten „lebendigen Zaunpfählen“: Abgeschnittene Weiden, die etwa 50 cm in den Boden gepflanzt werden und dort wieder anwachsen. Diese ersetzen später den Weidepfahl und spenden den Tieren gleichzeitig Schatten. „Die Methode muss allerdings zum Weidekonzept passen und erfordert einen entsprechenden Planungsaufwand“, gibt Hoppe zu bedenken.
Ein weiteres Beispiel ist der Einsatz von durchmischten Laubfutterhecken. Diese bestehen aus verschiedenen Gehölzen wie zum Beispiel Himbeere, Holunder und Schwarzerle und werden als breite Streifen angepflanzt. Bis die Hecke alt genug ist, um abgefressen werden zu können, muss sie mit einem Stromzaun geschützt werden. Laubfutter enthält nicht nur viel Rohprotein und ist gut verdaulich, sondern beinhaltet auch mehr Mineralstoffe als viele herkömmliche Gräser. Zum Beispiel finden sich in Erle und Weide mehr Magnesium, Calcium, Zink und Selen als in Weidelgras. Und in der Milch führt Laubfutter zu einem guten Fettsäureprofil.
Ein weiteres Anwendungsbeispiel ist der Anbau von Wertholzbäumen auf Grünland. Dafür eignen sich Kirsche, Hybridnuss, Ahorn und viele Wildobstarten. In diesem System werden Einzelbäume in größerem Abstand gepflanzt mit dem Ziel, in 30 bis 60 Jahren wertvolles Stammholz zu erzeugen. Allerdings müssen die Bäume die ersten 15 Jahre entastet und vor den Weidetieren gut geschützt werden. Die möglichst hohen Kronen spenden im Sommer einen wandernden und lichten Schatten, der einen großen Bereich abdeckt.
Dann gibt es natürlich noch die Streuobstwiesen. Tobias Hoppe berichtet von einem Obstbaubetrieb, der unter den Hochstämmen seine Mutterkühe weiden lässt: „Der Betrieb erzielt beste Obsterträge mit wenig Pflanzenschutz“, so Hoppe. Die Larven des Apfelwicklers werden über das Fallobst von den Kühen gefressen und können sich nicht mehr weiterentwickeln. Somit wirkt sich die Tierhaltung kombiniert mit Obstbau positiv auf die Schädlingspopulation aus.
Praxisbeispiel gefällig? Der Antonihof setzt schon jetzt auf Agroforst. Hier geht’s zum Beitrag.
Pflegemaßnahmen
Egal ob Wertholz oder Streuobst, die Grünlandstreifen zwischen den Bäumen müssen auf die maschinelle Bewirtschaftung angepasst sein. Zum Schutz der jungen Bäume hat sich ein Dreibein bewährt – am besten aus Akazienholz. Zusätzlich ist eine Elektrolitze nötig, da sich die Rinder liebend gerne an den Stützen scheuern und diese umreißen.
Allgemein sollte man den Baumschutz und den daraus resultierenden Reparatur- und Pflegeaufwand nicht unterschätzen. Ob in der Futterhecke oder zwischen den Einzelbäumen – auch an die Unkrautregulierung in den geschützten Bereichen muss von Anfang an gedacht werden. Ein- bis zweimal im Jahr sollte das Altgras mit einem Freischneider gemäht werden. Tobias Hoppe empfiehlt außerdem, zu Beginn eine Baumscheibe aus Mulch anzulegen. Als Baumscheibe wird der Bereich rund einen Meter um den Stamm bezeichnet.
Damit in Trockenjahren die Gehölze dem direkt angrenzenden Grünland oder Acker nicht die Feuchtigkeit entziehen, rät Tobias Hoppe zu einer „Wurzelerziehung“. Seine Empfehlung: „Ungefähr mit 2 m Abstand zu den Gehölzen die ersten zehn Jahre den Boden mit einen Tiefenlockerer oder Tiefenmeißel durchziehen. Die Baumwurzeln werden so daran gehindert, in den Pflanzenbestand hineinzuwachsen, und wurzeln stattdessen in die Tiefe. Die Konkurrenzsituation wird entschärft.“
Agroforst rechtlich gesehen kein Landschaftselement
Die rechtlichen Rahmenbedingungen ändern sich dank der neuen GAP zugunsten der Agroforstwirtschaft. Zwar gibt es zukünftig über die Ökoregelung gerade mal 60 Euro pro Hektar reine Gehölzfläche, dafür besteht aber nicht mehr die Gefahr, dass sich lebendige Zaunpfähle oder Wertholzbäume naturschutzrechtlich in geschützte Landschaftselemente umwandeln. Denn einmal als Landschaftselement aufgenommen, dürfen Gehölze nicht mehr entfernt werden. Deklarierte Agroforstsysteme hingegen erhalten eine Rechtssicherheit. Außerdem ist eine Codierung als Streuobstwiese weiterhin möglich.
Ist Agroforst wirtschaftlich?
Insgesamt bietet die Agroforstwirtschaft Anpassungen an den Klimawandel, die sich nicht nur positiv auf die Umwelt auswirken, sondern auch für die Betriebe wirtschaftliche Vorteile bringen. Tobias Hoppe veranschaulichte dies in einer Kalkulationstabelle, in der von Energieholzgewinnung bis zur Direktvermarktung von Walnüssen die Kosten und Erträge grob überschlagen sind.
Energieholzstreifen* | Wertholz | Hochstamm Apfel | Hochstamm Walnuss | |
---|---|---|---|---|
Länge | 100 m | 100 m | 100 m | 100 m |
Pflanzen | 133 | 6,7 | 8,3 | 6,7 |
Investitionen | ||||
Pflanzmaterial, Baumschutz, Dienstleistungskosten | 500 Euro | 200 Euro | 332 Euro | 433 Euro |
Eigenarbeit (Akh) | 0,18 | 15 | 12,5 | 10 |
Bewirtschaftung | ||||
Etablierungsphase (Akh/Jahr) | 0,7 (Jahr 1-2) | 2,6 (Jahr 1-15) | 8,3 (Jahr 1-15) | 7,7 (Jahr 1-15) |
Ertrags-/Zuwachsphase (Akh/Jahr) | 0,2 | 12,5 für Pflege, 5,3 für Ernte | 3 für Pflege, 0,4 für Ernte | |
Ertrag | ||||
Kalkulationszeitraum (Jahre) | 24 | 60 | 50 | 50 |
Gesamtertrag im Kalkulationszeitraum | 10 t Trockenmasse | 9,3 Fest- meter | 332 dt Most- äpfel | 43 dt Wal- nüsse in Schale |
Verkaufspreis | 110 Euro/dt | 400 Euro/ Fest- meter | 20 Euro/dt (Großabnehmer) | 650 Euro/dt (Direktvermarktung) |
* Annahme: Anlage in Doppelreihen; mindestens 600 laufende Meter entspricht 3 ha bei 48 m Ackerstreifenbreite |