Zurück

Herdenschutz für Rinder 2.0

Mutterkuh mit KalbMaria Wehrle
Fachbeitrag
0

Vor gut einem Jahr wurde in Baden-Württemberg ein „zumutbares“ Herdenschutzkonzept für Rinder veröffentlicht. Nun gab es erste Anpassungen in der Alterklasse 2 – also bei Rindern älter als acht Wochen – und auch die Fördersätze wurden festgelegt. Die Änderungen stammen aus dem Herdenschutzprojekt Südschwarzwald, bei dem 15 Betriebe die Maßnahmen in der Praxis testen.

Die Förderung erfolgt nach der Landschaftspflegerichtlinie (LPR) Teil F3 und beträgt jeweils 100 % der zuwendungsfähigen Kosten, wobei ein Betrieb maximal 30.000 Euro im Jahr bekommen kann. Das Geld muss jedes Jahr neu bei der Unteren Naturschutzbehörde beantragt werden. Wer 2023 schon Maßnahmen umgesetzt hat, kann den Antrag auch nachträglich stellen.

Altersklassenmodell bleibt

Grundsätzlich wird im Konzept weiterhin zwischen zwei Altersklassen unterschieden. Das haben wir euch auch schon mal hier vorgestellt. Zur Altersklasse 1 zählen bis zu acht Wochen alte Kälber, die im Grunde wie Schafe und Ziegen geschützt werden sollten. Welche Fördersätze hier gelten, können Sie in der Originalveröffentlichung des Umweltministeriums nachlesen.

wirlandwirtenHerdenschutz Rinder neu
Stand April 2024

Bei der Altersklasse 2 – also bei allen Rindern älter als acht Wochen, Zwergrinder ausgenommen – müssen immer zwei Maßnahmen kombiniert werden: eine Ziffer mit einem Buchstaben. Das ganze haben wir euch in zwei Tabellen ganz am Ende der Seite übersichtlich zusammengefasst. Die Maßnahmen 1 bis 3 (erste Tabelle) sollen den Herdenverbund fördern und somit die „kompakte Weideführung“ gewährleisten.

Das hat sich im Vergleich zu 2023 geändert

  • Als wehrhafte Tiere gelten nicht mehr nur Bullen und Ochsen ab 24 Monaten sowie Kühe nach der zweiten Kalbung, sondern auch Färsen ab 24 Monaten. Außerdem wurde nun definiert, dass wehrhafte Tiere Weideerfahrung aus mindestens einer Saison mitbringen müssen. Gleichzeitig ist die Altersgrenze von zehn Jahren weggefallen.
  • Muttertiere mit guten Mutterinstinkten werden gar nicht mehr in der Kategorie wehrhafte Tiere geführt. Dazu zählten bislang Kühe, deren Kalb nicht älter als sechs Monate alt ist. Da aber Herden, die aus mindestens fünf gesunden Rindern mit gemeinsamer Weideerfahrung bestehen, grundsätzlich als wehrhaft genug gelten, sind hier keine weiteren Maßnahmen notwendig. Das trifft sowohl auf Mutterkuhherden mit Kälbern älter als acht Wochen als auch auf reine Milchviehherden zu.
  • Zudem wurde das System „Turbo Fladry“ – also der elektrifizierte Lappenzaun – genauer definiert. Die wichtigste Änderung hier: Die Stromlitze muss nicht mehr 2000 sondern 4000 Volt führen.
  • Lamas sind im Südschwarzwald für den Herdenschutz weiterhin eher ungeeignet. Wer über diese Option nachdenkt, muss sich auf jeden Fall von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) beraten lassen. Hinzugekommen ist die Vorgabe, dass Lamas nur auf einer Portionsweide eingesetzt werden können.

Herdenschutz für Rinder bleibt freiwillig

Alle Herdenschutzmaßnahmen für Rinder sind freiwillig. Um eine Enschädigung im Falle eines Risses zu bekommen, müssen die Maßnahmen also nicht umgesetzt werden.

Einzige Ausnahme: Wer eine Förderung in Anspruch genommen hat, muss die Maßnahmen auch umsetzen und instandhalten.

Allerdings: Wo die Zaunbaufirmen nicht hinterherkommen, muss auch der Tierhalter keine Konsequenzen fürchten.

Förderung Maßnahmengruppe Ziffer

Maßnahme Beschreibung Förderung
1. Mehrtägige Stallhaltung neu zusammengestellter Herden − Vor Beginn der Beweidung mindestens drei Tage gemeinsame Einstallung in einem Laufstall, sodass sich ein Herdenverbund bildet. 23 Euro/Rind und Jahr (auch für eventuell zu integrierende wehrhafte Rinder)
− Bei der Kombination 1. mit a) müssen die wehrhaften Rinder bereits mit im Stall sein.
2. Mehrtägige Vorweide neu zusammen- gestellter Herden − Vor Beginn der Beweidung mindestens drei Tage gemeinsame Weide auf reduzierter Fläche (100 m2 pro Tier), sodass sich ein Herdenverbund bildet. 18 Euro/Rind und Jahr (auch für eventuell zu integrierende wehrhafte Rinder) Förderung des Fladry-Materials siehe Tabelle 2 unter b)
− Bei der Kombination 2. mit a) müssen die wehrhaften Rinder bereits bei der Vorweide dabei sein.
− Bei der Kombination 2. mit b) muss die Vorweide mit Turbo Fladry versehen werden.
3. Portionsweide über die gesamte Weidesaison − Ziel sind kleine Weideflächen über die gesamte Weidesaison, damit die Rinder beieinanderbleiben und so im Falle eines Wolfsübergriffes wehrhafter sind. In Abgrenzung zu Ziffer 2. sinnvoll bei regelmäßigem Tierwechsel in der Herde. 58 Euro/Weidetier und Jahr (auch für eventuell zu integrierende wehrhafte Rinder oder Lamas);
− Die jeweilige Weideeinheit wird so abgezäunt, dass sie der Rindergruppe für drei Tage Futter bietet. Nach spätestens drei Tagen zieht die Rindergruppe auf die nächste Weideeinheit, die im Vorfeld oder direkt vor dem Umtrieb abgezäunt wurde. Zusätzlich Förderung nach LPR D5 möglich: − für Portionsweide zusätzlich erforderliches Zaunmaterial − in der Regel Mobilzaun oder einfacher Halbmobilzaun − nach individuellem Antrag 100 % für natürliche Personen und juristische Personen des Privatrechts
− Die Tierhaltenden beachten die bestehenden Vorgaben zur Konditionalität (zum Beispiel keine Verschlechterung von Biotopen). Die Untere Naturschutzbehörde berät bei Bedarf.

Förderung Maßnahmengruppe Buchstabe

Maßnahme Beschreibung Förderung
a) Weidehaltung mit mindestens zwei bzw. 10 % wehrhaften Rindern in der Herde − In Jungviehherden werden wehrhafte Rinder zusätzlich integriert. Haltung nur während einer Weidesaison: 470 Euro/Rind und Jahr Ganzjahres- bzw. mehrjährige Haltung: 1600 Euro/Rind und Jahr
− Definition wehrhaftes Rind: keine Zwergrindrassen (Dexter, Zwergzebu, etc.); gesund und vital; Bullen, Ochsen und Färsen ab 24 Monaten; Kühe nach der zweiten Kalbung, bei Trächtigkeit jeweils bis acht Wochen vor Geburt; Weideerfahrung von mindestens einer Saison Gefördert werden je Jungviehherde mindestens zwei wehrhafte Rinder, ab 21 Jungrindern in einer Herde drei wehrhafte Rinder, ab 31 Jungrindern vier wehrhafte Rinder und so weiter
− Hinweis: Ist in Milchvieh- oder Mutterkuhherden in der Regel gegeben, so dass keine weitere Maßnahme (und damit kein förderfähiger Mehraufwand) erforderlich ist.
b) Weidehaltung im Turbo Fladry (elektrifizierter Lappenzaun) − Stromlitze rund um die jeweilige Weideeinheit (mindestens 4000 Volt, 2 Joule, angepasste Erdung, maximal 1,5 km lang) in Kombination mit farbigen bzw. kontrastreichen frei schwingenden Lappen maximal alle 50 cm („Fladry-Seil mit Fähnchen“) Arbeitsaufwand wird mit 20 Euro/Stunde nach individuellem Nachweis gefördert.
− Bestandszaun entsprechend den Vorgaben der BZL-Broschüre „Sichere Weidezäune“ Eine zusätzliche Förderung nach LPR D5 ist möglich: Weidezaungerät)
− Maximal umspannte Weidefläche 15 ha, in unübersichtlichem Gelände entsprechend weniger – Material (Fladry-Seil, Isolatoren, ggf. Pfosten, Erdung,
− Trassenwechsel nach maximal vier Wochen; Umstellen der Herde entsprechend erforderlich – nach individuellem Antrag
– Dokumentation ist mit Zahlungsantrag vorzulegen (Termin Trassenwechsel, Weidefläche, Anzahl Arbeitsstunden) – 100 % für natürliche Personen und juristische Personen des Privatrechts
c) Weidehaltung mit zwei Lamas je Herde (nur in Kombination mit Ziffer 3 also der Portionsweide) − Nicht im Territorium eines Wolfspaares oder -rudels Förderung im Einzelfall Eine Empfehlung der Herdenschutz- beratung (FVA) ist Voraussetzung.
− Die Bedingungen werden im Rahmen der Herdenschutzberatung erläutert.

Zwei Rechenbeispiele

  1. Kombination 2 mit a: 20 Jungrinder und zwei wehrhafte Rinder, davon eines nur während der Weidesaison gehalten, das andere ganzjährig im Betrieb:
    Ziffer 2 (mehrtägige Vorweide) 396 Euro + Buchstabe a (ein wehrhaftes Rind in der Weidesaison 470 Euro + ein wehrhaftes Rind ganzjährig 1600 Euro) = 2466 Euro pro Jahr
  2. Kombination 3 mit b: 20 Jungrinder auf Portionsweide mit Turbo Fladry mit 30 Stunden Arbeitsaufwand zur Installation des Turbo Fladrys:
    Ziffer 3 (Portionsweide) 1160 Euro + Buchstabe b (30 Arbeitsstunden) 600 Euro = 1760 Euro pro Jahr zuzüglich Förderung für Turbo-Fladry-Material.

Respekt, du hast es geschafft! Das war ganz schön viel Input und nicht gerade leicht verdaulich. Falls trotzdem noch Fragen sind, zögert nicht, euch bei uns zu melden 🙂

Kommentieren

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Informationen zur Verarbeitung dieser Daten finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen.

Du brennst für dieses Thema?

Deine Meinung zählt!

Wirlandwirten - gemeinsam! Wir sind stolz auf unsere Community und freuen uns über alle, die dabei sein wollen. Du möchtest ein Thema vorschlagen? Du möchtest der Community etwas von deinem Hof zeigen? Melde dich, wir sind gespannt!

Adobe Stock