Die uns heute vertrauten Baumarten sind von der Klimaerwärmung unterschiedlich betroffen. Eine Einschätzung, auf was sich Waldeigentümer bis zum Jahr 2100 einstellen müssen und wie sie gegensteuern können, gab Professor Ulrich Kohnle von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) im Haus der Bauern.
Eine Kernaussage am 11. Januar lautete: Eine Veränderung des Klimas ist an sich nichts Neues. So wechselten sich nach der letzten Eiszeit über Tausende Jahre Kälte- und Wärmephasen gegenseitig immer wieder ab. Dennoch ist die gegenwärtige Situation etwas anderes.
Den Klimawandel nicht auf die leichte Schulter nehmen
Professor Ulrich Kohnle warnte in seinem Vortrag im Haus der Bauern eindringlich davor, die Klimaänderungen auf die leichte Schulter zu nehmen. Obwohl niemand wissen könne, wie die Lage im Jahr 2100 tatsächlich aussehe, müsse nach gegenwärtigem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse davon ausgegangen werden, dass dem Wald einschneidende Veränderungen bevorstehen. Schließlich werde das CO2, das jetzt in die Erdatmosphäre gelange, erst in 20 Jahren bestimmend für das Klima werden.
Das Szenario RCP 8.5 – wie es in Abbildung 1 dargestellt ist – beschreibt nach Kohnle höchstwahrscheinlich den kommenden Klimawandel korrekt. Die Zahl 8.5 steht dabei nicht für die zu erwartende Durchschnittstemperatur, sondern für die von der CO2-Konzentration in der Luft abhängige Sonneneinstrahlung von 8,5 Watt je Quadratmeter.
Am Pflanzen führt kein Weg vorbei
„Wir müssen uns einerseits heute schon überlegen, wie unsere Wälder mit der zu erwartenden Erwärmung zurechtkommen können, und entsprechende waldbauliche Maßnahmen ergreifen“, fordert Kohnle. Andererseits könne man sich nicht blind auf diese Perspektive verlassen. Möglich, wenn auch unwahrscheinlich sei es, dass es im Jahr 2100 nicht ganz so warm sei wie vorhergesagt. Auch dieser Aspekt müsse bei der Baumartenwahl berücksichtigt werden. „Wir stehen vor einer nicht einfachen Herausforderung, deshalb kann es auch keine einfachen Lösungen geben“, ist der Forstexperte überzeugt.
Die Bäume konnten in den anfangs beschriebenen nacheiszeitlichen Klimaschwankungen zwar durch natürliche Wanderung ausweichen, aber nur mit maximal 50 Kilometern pro Jahrhundert. Es müssten aber 500 Kilometer bis 2100 sein, denn in 80 Jahren werden sich die Klimazonen um diese Strecke nach Norden verschoben haben. In Hamburg wird dann vermutlich ein sehr ähnliches Klima herrschen wie heute in Freiburg, veranschaulicht Kohnle.
Der Wald könne sich also nicht aus eigener Kraft anpassen. Deswegen sei das oft geforderte Sich-selbst-Überlassen der Wälder keine sinnvolle Option. Vielmehr sei ein durch den Menschen gesteuerter Bestandesumbau erforderlich. „Wir müssen dem Wald helfen“, appelliert der Forstfachmann, „und wir müssen mehr und andere Bäume pflanzen als in den vergangenen 50 Jahren“.
Verschiebung der Baumartenzusammensetzung
Hierfür sei die Frage von zentraler Bedeutung, wie anpassungsfähig die derzeit vorhandenen Hauptbaumarten gegenüber der Klimaerwärmung sind. Umfangreiche Untersuchungen dazu führen die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg und andere wissenschaftliche Einrichtungen durch, in deren Zentrum das Projekt „Baumarteneignungsmodellierung 2.0“ steht. Entsprechende Forschungsergebnisse gibt es inzwischen für die wichtigen Baumarten Fichte, Tanne, Buche und Stieleiche. Bei allen vier nimmt die Anbaueignung in der Klimaerwärmung ab. Das kurzgefasste Ergebnis der intensiven Forschung lautet:
- Die im Moment mit etwa einem Drittel bis knapp der Hälfte des Waldes führenden Nadelbäume Fichte und Tanne sind mit Blick auf das Szenario 2100 nicht mehr als führende Baumarten geeignet – auch wenn wie keinesfalls aussterben werden, wie Kohnle mehrfach betont. Die Tanne sei etwas anpassungsfähiger als die Fichte.
- Buchen werden bis Ende des Jahrhunderts von der oberen in die mittlere Eignungskategorie abrutschen, jedoch in großen Teilen des Landes noch brauchbar sein.
- Nur auf der Hälfte der Fläche Baden-Württembergs wird 2100 eine der vier genannten, gut untersuchten Baumarten als führend im Bestand geeignet sein.
Eile mit Weile
Ich bin zuversichtlich, dass wir bis Ende des Jahrhunderts genügend viele ausreichend geprüfte Baumarten vorschlagen können, die mit dem Klima zurechtkommen werden“
Dr. Ulrich Kohnle Leiter der Waldwachstumsabteilung der Forstlichen Versuchsanstalt FreiburgJedoch könne die Forstwissenschaft derzeit noch keine belastbare Aussage treffen, welche Baumarten in 80 Jahren auf der nicht für die großen Vier geeigneten Hälfte des Landes erfolgversprechend wachsen können, räumt Ulrich Kohnle ein. Er erwartet, dass in zwanzig bis 40 Jahren dieses Defizit behoben sein wird. „Ich bin zuversichtlich, dass wir bis Ende des Jahrhunderts genügend viele ausreichend geprüfte Baumarten vorschlagen können, die mit dem Klima zurechtkommen werden“, stellt der Experte in Aussicht.
Den Waldeigentümern legte Kohnle nahe, vorerst keine Exoten in waldbaulich relevantem Umfang anzubauen, auch wenn sie noch so wohlklingende Namen hätten. Als Beispiel nannte er die Atlaszeder, die für Südfrankreich als Hoffnungsträger galt und vor Jahrzehnten in großem Umfang angebaut worden sei. Inzwischen habe es sich herausgestellt, dass sie mit der Hitze nicht zurechtkomme.
Douglasienbeimischung bringt Geld
Da trotz vorhandener Untersuchungsergebnisse unklar ist, wie die einzelnen Baumarten tatsächlich mit der Dynamik des Klimawandels zurechtkommen werden, empfiehlt Kohnle den Waldeigentümern, verstärkt auf zeitlich begrenzte Mischungen zu setzen.
Generell hält der Fachmann nadelbaumgeprägte Bestände wie im 20. Jahrhundert für zu riskant. Um dennoch Nadelholz erzeugen zu können, sei zum Beispiel denkbar, in – relativ risikoarme – Buchenbestände vorübergehend gezielt Douglasien hineinzupflanzen, die klimaresilienter sind als Fichten und Tannen. Ihnen müssen aber auf jeden Fall mittels Durchforstung genügend Licht, Wasser, Nährstoffe und Platz verschafft werden, um den konkurrenzstarken Buchen nicht zu unterliegen.
Rund 20 Prozent Douglasienbeimischung hält Kohnle für geeignet. Das Ziel sei es, diese schnellwachsende Art zügig im Stammumfang stark werden zu lassen. Dann, nach etwa 60 Jahren, könne man sie nutzen, lange bevor der Hauptbestand hiebsreif sei. „Das ergibt zwar nur Nadelholz mittlerer Qualität, aber es steigert den Flächenerlös trotz des hohen Durchforstungsaufwandes erheblich“, rechnet der Professor vor. Er hält eine Verdoppelung bis Verdreifachung des Reinertrages für möglich. „Ich bin überzeugt: Wer Nadelbäume haben will, kommt um diese Methode nicht herum“, betont Kohnle.
Diskussion über die Douglasie
In der an den Vortrag anschließenden Fragerunde wurde engagiert über die Zukunftsfähigkeit der Douglasie diskutiert.
Mehrfach wurde von Beobachtungen berichtet, dass Douglasien Stürmen besser widerstehen könnten als Fichten. Demgegenüber hält Professor Kohnle den baum-artbedingten Unterschied für vernachlässigbar klein. Entscheidend für die Standhaftigkeit von Bäumen seien rein physikalische Zusammenhänge. Die Windgeschwindigkeit multpliziert mit der Kronengröße multipliziert mit der Stammhöhe ergebe die Hebelwirkung des Sturmes am Stamm und diese allein entscheide darüber, ob ein Baum umfalle oder stehen bleibe.
Als nicht zutreffend bezeichnete Kohnle das Argument mancher Douglasien-Befürworter, dass sie keine fremdländische, sondern eine ehemals in Europa heimische Baumart sei. Die Douglasienbestände in Deutschland seien der Art Pseudotsuga menziesii zuzuordnen, so der Forstexperte. Demgegenüber gehöre die in Europa durch die letzte Eiszeit ausgestorbene Douglasie zwar derselben Gattung Pseudotsuga an, es handele sich jedoch um eine andere Art.