Wie können wir den Hof zukunftsfit machen? Stallbau und zweiter Melkroboter oder einen anderen Weg einschlagen? Auf dem Nachtwaidhof in Löffingen-Dittishausen hat man sich für die zweite Variante entschieden und sich ein zusätzliches Standbein aufgebaut.
„Wir haben lange überlegt, wie wir uns aufstellen“, sagt Lorenz Weber (25), der als Vollerwerbs-Landwirt in den Familienbetrieb eingestiegen ist. Mit „wir“ meint er seinen Bruder Pirmin (29), ebenfalls Landwirtschaftsmeister, und seine Freundin Lisa Rieple. Sie legt derzeit die Prüfung zur Landwirtschaftsmeisterin ab.
Mit geballtem Fachwissen und der Erfahrung von Vater Thomas Weber wurde die Option Aufstockung einschließlich Stallneubau und zweitem Melkroboter durchgerechnet. Nicht nur die knappen Flächen standen dem Ansinnen entgegen. „Bei den niedrigen Milchpreisen und steigenden Dünger- und Futterkosten rechnet sich die Aufstockung fast nicht“, sagt Pirmin Weber. Und für den Weltmarkt zu produzieren, das werde in unserer Region immer schwerer.
Die ersten Schritte
Dann wurde die Idee geboren, eine Molkerei auf dem Hof einzurichten und ein Teil der Milch der 85 Kühe zu verarbeiten. Bis die erste Weidemilch durch den Pasteur floss, machten sich die drei jungen Leute fit für ihr neues Standbein. „Ein befreundeter Landwirt aus der Ludwigsburger Gegend, der schon seit 40 Jahren eine Hofmolkerei betreibt, hat uns in die Geheimnisse der Milchverarbeitung eingeweiht“, sagt Pirmin. Etliche Fortbildungen und Hygieneschulungen wurden besucht, Tipps gab es auch vom Bundesverband der Milchdirektvermarkter, dem der Nachtwaidhof jetzt angehört.
„Die Milch ist einfach ein cooles Produkt und bringt uns noch auf viele Verarbeitungsideen.“
Pirmin Weber verantwortlich für den VertriebDann ging es ans Werk: Alträume des Stalles wurden zur Hygieneschleuse, zum Vorratsraum und dem Molkereiraum mit Pasteur, Kocher, Abfüllmaschine und Siegelgerät umgebaut. Mit der Herstellung pasteurisierter Milch begann das Projekt. „Rohmilch können wir aufgrund unserer Lage im Außenbereich nicht direkt ab Hof verkaufen“, erklärt Lorenz Weber.
Geschmackssache
Der vierwöchige erfolgreiche Probelauf ermunterte das Trio, das Angebot um Joghurt, Schokoladen- und Vanillepudding sowie Kaffee- und Schokomixgetränke zu erweitern. Jetzt kamen Familie, Freunde und Bekannte ins Spiel, die ihr Urteil zu den Produkten aus der „Testküche“ abgeben durften. Dabei stellte man fest, wie unterschiedlich die Geschmäcker sind. „Die einen hätten es gerne süßer, andere wiederum weniger oder mehr Fruchtanteil“, sagt Lisa Rieple, die inzwischen Joghurt in acht verschiedenen Geschmacksrichtungen abfüllt.
Mit dem gefundenen Mittelweg fährt man offensichtlich gut. Die Produkte, die ohne künstliche Aromen und Zusatzstoffe auskommen, verkaufen sie ausschließlich regional über Hofläden, Direktvermarkter und Wiederverkäufer, die überwiegend regionale Produkte vertreiben. Auch kleinere Lebensmitteleinzelhändler haben inzwischen die Produkte aus der Dittishauser im Sortiment. Mit dem Aufbau des Kundenstammes sind die Jungunternehmer erst am Anfang, doch wollen sie mit ihren Produkten exklusiv bleiben.
Investition für Hofmolkerei
Die bisherige Investition belief sich auf rund 400.000 Euro. „Um auf Dauer arbeitswirtschaftlich gut produzieren zu können, müssen wir in den nächsten 12 Monaten jedoch mindestens noch einmal den gleichen Betrag in die Hand nehmen“, sagt Pirmin.
Momentan wird die Molkerei noch mit Strom aus dem öffentlichen Netz betrieben. Doch ist man gerade mit Hochdruck dabei, in die Speichertechnik der eigenen 250 kWp-Photovoltaikanlage zu investieren, um dann die Molkerei mit eigenem Strom betreiben zu können.
Schnelle Rückmeldungen der Kunden
Nicht nur die Tatsache, dass sie mehr an der Wertschöpfung aus der Milch beteiligt sind, freut die drei Landwirte. „Wir produzieren nicht nur anonym, sondern erhalten Rückmeldungen von den Kunden“, sagt Lorenz Weber. Manchmal gehe das schnell, kaum sei ausgeliefert, kämen schon die ersten WhatsApps.
Doch den größten Teil der Milch produzieren sie „noch“ anonym, sprich sie liefern weiterhin an die Schwarzwaldmilch. Wie viel Milch sie selbst verarbeiten, darüber können sie noch keine konkreten Aussagen machen, da sie erst vor wenigen Wochen gestartet sind. Aufgrund der Andienungspflicht gibt es jedenfalls für die nicht abgelieferte Milch Abzug. Doch diesen nehmen die Webers aufgrund des erzielten Mehrwerts durch die Direktvermarktung hin. Klein, aber fein – das ist die Philosophie der drei Jungunternehmer. „Die Milch ist einfach ein cooles Produkt und bringt uns noch auf viele Verarbeitungsideen“, sagt der für den Vertrieb verantwortliche Pirmin Weber.
Hier geht es zur Internet-Seite: www.nachtwaidhof.de