Eva-Maria Schüle berät seit 1989 in der Beratungsstelle Familie und Betrieb in St. Ulrich. Am liebsten arbeitet sie mit Paaren an deren Beziehung. Was das Besondere dabei ist, wieso es okay sein sollte, wenn einer mehr Engagement für die Beratung zeigt als der andere und was Paare bei ihr erwartet, erfahrt ihr im Interview!
Was ist das Besondere an der landwirtschaftlichen Paarberatung?
Meine Erfahrung ist, dass es überfordernd sein kann, mit einer ganzen Familie gleichzeitig zu arbeiten. Wenn ich mit einem Paar arbeite, das bestimmte Themen für sich klarkriegt und eine gemeinsame Strategie entwickelt, lösen sich Generationenkonflikte oftmals von alleine. Damit der Betrieb läuft, möchte ich das Betriebsleiterpaar stärken. Dazu ist es wichtig, zu begreifen, dass Konflikte nichts Ehrenrühriges sind. Sie sind völlig normal. Und: Es gibt nicht die eine richtige Sicht auf die Dinge. Ich helfe, Brücken zu bauen und Missverständnisse zu klären. So sagte ein Mann zu mir: „Nein, nein – Sie sind nicht meine Paartherapeutin. Aber die Moderation machen Sie ganz gut.“
Sollten beide Personen die gleiche Bereitschaft für die Beratung mitbringen?
Das spielt zunächst keine Rolle. Es ist nicht unüblich, dass eine Person den Anfang macht und der oder die andere später dazukommt. Vor 30 Jahren habe ich eine Beratung mit einer Frau auf dem Hof des Paares begonnen. Zufällig war ich vor Ort, als ich dem Mann beim Anbinden der Kühe helfen konnte. Ab diesem Zeitpunkt war er dabei.
Was hat ihn überzeugt?
Alle, die in der Beratungsstelle arbeiten, haben einen landwirtschaftlichen Hintergrund. Wir kennen den Druck und die Mehrfachbelastung eines Familienbetriebs aus eigener Erfahrung. Außerdem ist es wichtig zu respektieren, wenn jemand sich erst einmal rausnimmt und mehr Zeit braucht, um sich auf eine Beratung einzulassen. Persönliche Themen und partnerschaftliche Konflikte sind häufig schambesetzt. Oftmals herrscht seit Generationen der Grundsatz, dass Familienangelegenheiten nicht nach außen getragen werden sollen.
Was erwartet Paare bei Ihnen?
Es gibt beispielsweise die „VW-Regel“. Das meint: Wünsche statt Vorwürfe formulieren. Außerdem sind Einladungen besser als Forderungen. Und wenn das Gegenüber weniger bewertet wird, ist schon einiges besänftigt. Ohne einander anzugreifen, kommt man dahin, zu verstehen, was denn eigentlich los ist. Wie das geht, dabei unterstütze ich. Und das Wichtigste bringen alle Paare selbst mit: Ihnen liegt etwas aneinander. Dabei meinen beide es oftmals gut. Deshalb frage ich gerne beharrlich nach, wie sie sich kennenlernten und was sie damals toll aneinander fanden.
Aber manchmal kann es auch eine Lösung sein, sich zu versöhnen und gut auseinanderzugehen. Ehen scheitern, das darf auch sein. Jedoch wächst die Offenheit gegenüber unserem Unterstützungsangebot und immer mehr Paare lassen sich schon beraten, bevor gar nichts mehr geht. Das birgt große Chancen, für die Beziehung, aber auch für den gesamten Betrieb.
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Die Geschichte eines jungen Paares in der Landwirtschaft, der besonderen Herausforderungen und ob ihre Beziehung überlebt hat, gibt es hier. Viel Spaß beim Weiterlesen!