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Rechnen zahlt sich aus: Landwirtschaft neben Vollzeitjob – läuft!

Familie Kienzler Schonach Höflebauer-Hof
Multimedia Erfahrung
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Beide haben eine volle Stelle. Den Betrieb schmeißen sie nebenher. Michael Kienzler und Tochter Nicole Kienzler sind idealistisch. Ihr Paradies – wie sie es nennen – wollen sie der Gesellschaft näherbringen. Denn klar ist: Das Paradies macht Arbeit und ist mehr als nur ein Hobby. Deshalb muss man realistisch bleiben und dauernd rechnen. Wie es der Familie dennoch gelingt, auch Freizeit einzuplanen? Lest selbst…

Schonach im Schwarzwald

Es ist ein Hof mit Geschichte. Mitten im Ort und trotzdem von saftigen Wiesen umgeben, auf denen ein Duzend schwarzer, kräftiger Tiere genüsslich weidet. Dahinter ragt der Kirchturm von Schonach empor. Wir sind im Schwarzwald – auf einem Familienbetrieb, der läuft.

Die Tiere tragen sich selbst. Die Subventionen und die Einnahmen der Ferienwohnung sind ein Bonus für die Kienzlers. Darauf kann man stolz sein, denn im Prinzip sei es ja so, dass man bald Geld haben müsse, dass man überhaupt “buure“ kann, erklärt der 56-Jährige Familienvater.

Anna SchmitzAngus-Limousin-Rinder Schonach Höflebauer-Hof Familie Kienzler
Michael Kienzler war 16 Jahre alt, als er die Verantwortung für den Hof übernahm.

Das ist der Höflebauer-Hof

Der Höfebauer-Hof, das sind: 18 Hektar Grünland, 4 Hektar Wald, 10 Mütterkühe plus Nachzucht und ein Bulle, die Selbstvermarktung des Fleisches und eine Ferienwohnung, auch Schulklassen kommen zu Besuch – gemeinsam als vierköpfige Familie stemmen sie die vielen Aufgaben.

Während Vater und Tochter beide Vollzeit als Konstrukteure arbeiten, ist Nicoles Mutter Michaela Kienzler halbtags als Gemeindegärtnerin beschäftigt. Morgens übernimmt sie die Versorgung der Tiere im Stall, damit ihr Mann zur Arbeit in die Firma kann. Wenn er am Nachmittag nach Hause kommt, eine kurze Mittagsruhe gehalten hat, geht er seiner Leidenschaft nach – der Arbeit auf dem Hof. „Ich brauche es als Ausgleich, von meiner Arbeit vor dem Computer. Das ist wie acht Stunden Mathe am Tag.“ Er ist mit Tieren aufgewachsen. Die Arbeit mit ihnen sei, was ihm Spaß macht. Auch Nicoles Schwester Claudia Kienzler ist dabei. Sie studiert Lehramt und entwickelt gemeinsam mit ihrer Mutter Projekte für die Zweitklässler, die sie einmal jährlich auf dem Hof begrüßen.

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Zehn Mütterkühe plus Nachzucht und einen Bulle besitzen die Kienzlers – alle haben einen Namen.

Zwei Maschinen zur Arbeitserleichterung

Die Familie blickt, wie es bei vielen Traditionsbetrieben der Fall ist, auf eine bewegende Hofgeschichte zurück.  Einst wurde realgeteilt, es gab dramatische Schicksalsschläge und die Atmosphäre längst vergangener Tage umhüllt einen besonders dort, wo gerade das Heu gelagert wird. Ein Heuboden ist nicht ungewöhnlich. Doch nebendran gibt es, ähnlich wie in einem Museum, unzählige Karren und andere Arbeitsgeräte zu bestaunen, die damals die schwere Arbeit in Feld, Wald und Flur erleichtern sollten.

 

Anna Schmitz

Was heute nostalgisch und voller Ehrfurcht an die Vergangenheit erinnert, ist mittlerweile dem Puls der Zeit gewichen. Die Familie Kienzler hat mittlerweile (nur) einen Schlepper und Hoflader im Einsatz. Kürzlich erst wurde der alte Hoflader ohne Kabine durch einen neuen ersetzt. Nun müsse man sich beim Winterdienst keinen Schnee mehr aus dem Gesicht wischen, erzählen die drei lachend. Eine lohnenswerte Investition also, die Familie Kienzler jedoch nicht unüberlegt traf.

Erfolgsgeheimnis

Denn neben der guten Tagesstruktur ist eines ihrer Erfolgsgeheimnisse sicher, dass das Geld auf dem Höflebauer-Hof nicht leichtfertig eingesetzt wird. „Man muss erstmal im eigenen Betrieb schauen, wo man Kosten sparen kann“, erklärt Michael Kienzler sein Konzept. Dabei wird immer wieder abgewogen, wie die Zeit am sinnvollsten genutzt ist. Deshalb wird auch so manches im Lohn vergeben. Denn Dienstleistungsunternehmen erledigen die Arbeit um einiges schneller. Und gleichzeitig ist der Verdienst pro Stunde bei der Festanstellung um das Fünffache höher als zu Hause auf dem Betrieb. „Ich bin halt ein Rechner“, beschreibt der Vater seine Herangehensweise an wirtschaftliche Entscheidungen, „ich mache erstmal eine Analyse“.

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„Ich bin halt ein Rechner, ich mache erstmal eine Analyse.“

Michael Kienzler Nebenerwerbs-Bauer

16 Jahre alt und verantwortlich

Auch wenn er nie eine landwirtschaftliche Lehre machte, seit seinem 16. Lebensjahr – nachdem die Eltern im Alter von 46 und 61 Jahren starben – bestimmt Michael Kienzler über die Geschicke auf dem Hof. Früher einmal, zu Zeiten als sein Opa noch den Hof führte, wurde er im Vollerwerb betrieben. Doch die Familie steht hinter der Entscheidung, die Landwirtschaft im Nebenerwerb zu führen. Für sie steht fest: Man sei nicht geboren, um nur zu schaffen. Deshalb ist nach alter Tradition immer sonntags Familientag. Da hält man sich frei, wenn es die Arbeit auf dem Hof zulässt und mache halt auch mal nichts. Früher, erzählt Nicole Kienzler, seien sie außerdem einmal im Jahr in den Urlaub gefahren.

Heute wohnt die 26-Jährige eine halbe Stunde vom Hof entfernt. Doch das soll sich schon bald wieder ändern. Noch ist es praktischer, denn von dort erreicht sie ihre Arbeitsstelle und die Fachschule besser. Am Landwirtschaftlichen Bildungszentrum der Hochburg in Emmendingen schließt sie im Frühjahr 2024 ihre Ausbildung zur Nebenerwerbslandwirtin ab. Aktuell verbringt sie die Wochenenden auf dem elterlichen Hof. Dann begleitet sie ihren Vater in den Wald, wird in die Maschinen-Technik eingeführt und versorgt die Tiere.

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Der Höflebauer-Hof ist Bioland-zertifiziert. Die Familie düngt mit Festmist statt mit Gülle.

Tochter tritt in die Fußstapfen

Für sie steht fest: Irgendwann möchte sie den Betrieb übernehmen. Mit den rassetypischen Eigenschaften ihrer Angus-Limousin-Rinder und was es bei der Zucht zu beachten gilt, ist sie schon lange vertraut. Auch in die Selbstvermarktung und die Zusammenarbeit mit der regionalen Bioland Erzeugergemeinschaft ist sie integriert. Gleichzeitig hat die gelernte technische Zeichnerin von ihrer Mutter schon so einiges gelernt, wenn es darum geht, einzelne Wiesenkräuter voneinander zu unterscheiden. Mit dem Unterricht komme nun das Wissen zur Unterscheidung der Gräser hinzu sowie Bodenkunde. Das Gelernte dazu zu nutzen, den eigenen Betrieb zu reflektieren, macht der angehenden Landwirtin Spaß. Auch wenn sie manchmal erschrecke, zum Beispiel als sie ausgerechnet habe, wie teuer das Heumachen wirklich sei.

Wenn’s ums Thema Silage, die Analyse der Futter- oder Boden-Untersuchungsergebnisse oder um landwirtschaftliche Programme am Computer geht, kann Michael Kienzler schon jetzt vom Wissen seiner Tochter profitieren. Gleichzeitig steht fest, dass die 26-Jährige auch nach der Übernahme in ein paar Jahren, den Betrieb im Sinne ihres Vaters weiterführen möchte.

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Die Fleischvermarktung ihrer Angus-Limousin-Rinder ist der Betriebsschwerpunkt von Familie Kienzler.

Betriebskonzept: Im Einklang mit der Natur

Im Einklang mit der Natur arbeiten lautet der Ansatz. Dazu zählt die Bewirtschaftung in Kreisläufen, bei denen ihre Tiere eine entscheidende Rolle spielen. „Ein Hof ohne Tiere ist tot.“, findet Michael Kienzler. Die Düngung mit Mist statt mit Gülle solle genauso beibehalten werden, wie der späte erste Schnitt nach der Blüte – um die Artenvielfalt zu fördern. Da ihre Rinder nicht auf energiereiches Futter angewiesen sind, um Leistung zu erbringen, wollen sie auch ihre magere Fütterung fortsetzen, die sich zu zwei Drittel aus Heu und nur einem Drittel Silage zusammensetzt. Dadurch wird Folie eingespart. Das sei auch abfalltechnisch stimmiger, ist sich die Familie einig.

Ihr Idealismus treibt sie an. Mit ihrer Arbeit möchten sie der Gesellschaft die Landwirtschaft wieder näherbringen. Sie wünschen sich, dass wieder mehr Verständnis für die Leistung entsteht, die dahintersteckt. Denn wenn andere nach Feierabend ihren Rasen mähen müssen, macht Familie Kienzler eben noch ein wenig mehr.

Kommentare 3

  1. Ebenso wie Familie Kienzler bringt die Autorin erfreulicherweise die Landwirtschaft der Gesellschaft wieder näher. Danke für das interessante Portrait.

    Bernhard
  2. Prima Familie Kienzler, weiter so.

    Ingrid Fengler
  3. Super Beitrag Viele Grüße und weiterhin viel Erfolg.

    Florian Schneider

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