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Über Stacheldraht-Kommunikation und warum wir alle vier Ohren haben

StacheldrahtIMAGO / imagebroker
Fachbeitrag
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An was denkst du, wenn ich dir von einem Stacheldraht erzähle? An Verletzungen, wenn man daran hängenbleibt?

Oder doch an deinen letzten Streit mit jemandem, der dir wichtig ist? Wohl kaum. Da bist du wahrscheinlich nicht die einzige Person. Laut Anne Dirksen kommt der Stacheldraht häufig dort vor, wo Menschen miteinander kommunizieren. Und das ist ja bekanntlich überall. Denn, wie Paul Watzlawick einst feststellte: Man kann nicht nicht kommunizieren. Klingt paradox, ist aber so. Was sich dahinter verbirgt, erfährst du hier.

Man kann nicht nicht kommunizieren

Kommunikation ist wie Verhalten. Ein Mensch verhält sich immer. Also wird kommuniziert, ob man will oder nicht. Denn zu kommunizieren meint nicht bloß das gesprochene Wort zur Information. Kommunikation bedeutet mehr. Das weiß auch Anne Dirksen. Sie arbeitet in der sozioökonomischen Beratung der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Die Leiterin des Fachbereichs Familie und Betrieb versteht Kommunikation als Ressource, die vielfältig und unabhängig ist. Ob verbal oder nonverbal (mit Körpersprache): Wo Menschen zusammenkommen, wird kommuniziert.

 

Anne Dirksen

„Menschen, die miteinander zu schaffen haben, machen einander zu schaffen.“

Anne Dirksen Landwirtschaftskammer Niedersachsen

Konflikte sind positiv

Wenn ihr also mit euch nahestehenden Menschen auf dem Hof oder in eurem Umfeld aneinandergeratet, ist das weder außergewöhnlich noch beschämend.

Laut Dirksen sind Konflikte grundsätzlich positiv. Denn sie vermögen auf unerfüllte Bedürfnisse hinzuweisen, positive Energien freizusetzen und Persönlichkeiten zu entwickeln. Vor allem dann, wenn es gelingt, Konflikte auszutragen. Das kann Nähe zwischen den Beteiligten schaffen und wirkt in jedem Fall klärend.

Dazu müssen Alarmsignale erkannt werden. Am besten schon dann, wenn’s gelb wird, weiß Anne Dirksen, die auch das landwirtschaftliche Sorgentelefon bereut. Eine Ampel als Metapher verdeutlicht, dass es schwieriger wird, Konflikte zu lösen, wenn die Ampel erstmal rot zeigt.

Konflikte zwischen Menschen auf dem Hof zeigen sich laut Expertin in den Gefühlen der Beteiligten: Jemand fühlt sich erpresst, unter Druck, resigniert oder verzweifelt. Auch Wut, Aggression oder eine Krankheit können Ausdruck eines Konfliktes sein.

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Bevor man rot sieht: Alarmsignale sollten am besten schon dann erkannt und ernst genommen werden, bevor gar nichts mehr geht. Konflikte lassen sich einfacher lösen, wenn die Ampel noch orange zeigt.

Kommunikation: Mehr als nur Worte

Hast du ein oder mehrere Anzeichen bei dir oder deinem Gegenüber bemerkt, ist schon etwas Wichtiges geschafft. Denn ohne Wahrnehmung keine Kommunikation. Darauf basiert auch das Vier-Seiten-Modell: Eine Nachricht vereint immer mehrere Botschaften, ganz gleich worauf die Sprecher:in abzielt. Sowohl die Sprecher:in als auch die Zuhörer:in geben dem Gesagten und der Körpersprache eine Bedeutung.

Der Kommunikationspsychologe Friedemann Schulz von Thun unterscheidet in seinem Modell die Sach-, Appell-, Beziehungs- und Selbstoffenbarungsebene einer Nachricht. Während die Sachebene die reine Information der Nachricht meint, kann sich dahinter gleichzeitig ein Appell verbergen. Die Beziehungsebene offenbart, wie die Sprecher:in und die Zuhörer:in zueinander stehen, handelt es sich beispielsweise um eine vertraute oder distanzierte Beziehung. Gleichzeitig gibt die Sprecher:in auf der Selbstoffenbarungsebene etwas über sich selbst preis.

Neben der Intention der Sprecher:in wird die Kommunikation auch davon bestimmt, wie die Zuhörer:in die Botschaft auffasst, weshalb es auch als Vier-Ohren-Modell bezeichnet wird.

Wird eine Botschaft, ob verbal oder nonverbal, falsch interpretiert, entstehen Missverständnisse. Wenn du sie vermeiden willst, dann formuliere deine eigenen Aussagen möglichst klar und wenn du zuhörst informiere dein Gegenüber darüber, was bei dir ankommt.

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Konstruktiv kommunizieren

Wer konstruktiv kommuniziert, dem gelingt es, unvoreingenommen wahrzunehmen und verschiedene Standpunkte besser verstehen zu lernen. Das Mitteilen der eigenen Gefühle gehört genauso dazu wie das aktive Zuhören. Dabei solltest du deinen Gesprächspartner nicht mit deiner „eigenen Geschichte“ unterbrechen, sondern Fragen stellen, um den Blickwinkel deines Gegenübers kennenzulernen. Offenheit zahlt sich aus. Denn: Ein Perspektivwechsel kann dir nicht nur dabei helfen, besser zu verstehen, vielleicht eröffnet er dir auch einen hilfreichen Gedanken oder Impuls, den du für dich nutzen kannst.

Generell hilft es, beim Thema zu bleiben. Um ein kritisches Gespräch zu führen, muss der Rahmen passen. Deshalb vermeide den Austausch zwischen Tür und Angel. Besser ist: Sich bewusst Zeit nehmen und verabreden.

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Tipps und Tricks für eine bessere Kommunikation. Anne Dirksen ermutigt zur Selbstreflexion.

Ich-Botschaften

Im Gespräch ist es gut, wenn jeder darauf achtet „Ich-“ statt „Du-Botschaften“ zu formulieren. Sprich darüber wie du dich fühlst und was du dir wünschst, statt dein Gegenüber mit Vorwürfen anzugreifen. Vielleicht nimmst du dir vor, in der nächsten Auseinandersetzung darauf zu achten, wie viele Sätze du mit „Ich…“ oder „Du…“ beginnst und wie dein Gegenüber reagiert.

Anne Dirkens spricht von Stacheldrahtkommunikation, wenn es um die Benutzung bestimmter Wörter geht. Dazu zählen: Jede/r, schon wieder, immer, nie, auf keinen Fall und wieder typisch. Sind wir mal ehrlich: Wer bekommt schon gerne gesagt, dass unser Fehlverhalten wieder typisch sei oder dass wir nie tun würden, was von uns erwartet wird. Solche Wörter sind also verletzende Barrieren im Miteinander. Versuche stattdessen deine Botschaften so konkret wie möglich zu formulieren, damit Situationen nicht eskalieren und ein ruhiges, zugewandtes Gespräch möglich bleibt.

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Stacheldraht-Kommunikation kann verletzen. Deshalb sollten diese Wörter vermieden werden.

Sach- und Beziehungsebene trennen

Diese Strategie kann auch helfen, die Sach- und Beziehungsebene voneinander zu trennen. Womöglich fühlst du dich persönlich angegriffen, obwohl dein Gegenüber dich bloß sachlich informieren oder dir etwas über seine eigene Gemütslage mitteilen möchte. Wenn du unsicher bist, frag nach, ob du’s richtig verstanden hast und ob sich ein Appell oder eine Kritik auf persönlicher Ebene dahinter verbirgt.

Wenn du kritisiert wirst, dann kann es helfen, einen Moment innezuhalten und darüber nachzudenken, ob die Kritik berechtigt ist. Generell gilt: Der Umgang mit Kritik fällt leichter, wenn im Allgemeinen eine wertschätzende Atmosphäre herrscht. Was gefällt dir, läuft gut, womit bist du zufrieden bei deinem Gegenüber? Sprich’s an –  positive Rückmeldung gibt es nicht genug! Denn ein liebevolles Miteinander ist die Basis dafür, auch mit schwierigen Situationen und Streitthemen gut umgehen zu können.

Feedback geben

„Menschen, die miteinander zu schaffen haben, machen einander zu schaffen“, so Anne Dirksen in dem Online-Vortrag, der kürzlich vom Bundesinformationszentrum Landwirtschaft veranstaltet wurde.  Deshalb braucht es dort, wo Menschen zusammenkommen, eben auch ein Feedback.

Die Expertin empfiehlt das Schema „Beibehalten – Mehr –  Neu“: Was gefällt dir und sollte beibehalten werden? Was läuft gut, wovon ihr noch mehr in euren Alltag integrieren könnt? Und wo gibt es Verbesserungspotenzial, was bedarf einer neuen Strategie?  Die Mediatorin weiß, Feedback geben lohnt sich nicht nur im privaten Kontext. Auch regelmäßige Mitarbeitergespräche sollten deshalb die Regel sein.

Auch wenn Kommunikation ein immerwährender Prozess ist und nicht direkt monetär bewertbar ist, resümiert Anne Dirksen entschieden ihre jahrelange Arbeit in der Beratung: „Reden ist Gold! Zuhören ist eine Kunst!“

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Das versteht die Mediatorin Anne Dirksen unter konstruktiver Kommunikation, wie sie kürzlich in einem Online-Vortrag erklärte.

Wann hast du das letzte Mal das Gefühl gehabt, dass dein Gegenüber dich nicht richtig versteht oder umgekehrt? Welche Tipps erscheinen dir hilfreich? Probiere sie aus und schreibe uns in die Kommentare, wie es funktioniert hat!

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