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Coworking auf dem Bauernhof

Silke Bromm-Krieger
Multimedia Fachbeitrag
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Kreative Hofgestaltung in Schleswig-Holstein: Kirsten Voß-Rahe und Christian Rahe haben in den letzten Jahren ihren Hof Viehbrook in Rendswühren zu einem ländlichen Kultur-, Bildungs- und Erlebniszentrum ausgebaut. Im Frühjahr 2021 eröffneten sie einen „Coworking-Space“. Ein Beispiel, das Schule machen könnte.

Silke Bromm-Krieger
An Ideen und Tatkraft mangelt es ihnen nicht: Christian Rahe und Kirsten Voß-Rahe von Hof Viehbrook.

Auf Hof Viehbrook ist immer was los

Es ist noch früh an diesem Sonntagmorgen, doch auf Hof Viehbrook ist schon ordentlich was los. In „Mels Restaurant & Events“ im Hauptgebäude findet gerade ein Brunch statt. Eine Hochzeitsgesellschaft ist zu Gast, Kinder toben herum. Direkt vom Gastronomiebereich führt eine Treppe in den ruhig gelegenen ersten Stock hinauf. Hier ist man gleich mittendrin im Coworking-Space, zu Deutsch Bürogemeinschaftsraum. Interessierte können sich dort einmieten und finden auf circa 75 Quadratmetern einen zeitlich flexiblen Arbeitsplatz, den sie sich mit Menschen aus unterschiedlichen Arbeitsfeldern teilen. Dabei arbeiten die jeweiligen Personen unabhängig voneinander, können aber, falls gewünscht, den Austausch und die Vernetzung suchen.

Vom Kuhstall zum Bürogebäude

„Früher war in diesem Teil unseres historischen Hofes ein Kuhstall untergebracht. Wir haben ihn 2011 um ein Geschoss erweitert und gleichzeitig die ehemals landwirtschaftlich genutzte Bausubstanz umgenutzt“, erklärt Kirsten Voß-Rahe. Danach diente der so entstandene Raum, der ausschließlich über die Treppe zu erreichen ist, als Veranstaltungsfläche für Seminare und Familienfeste. „Aufgrund der fehlenden Barrierefreiheit benötigten wir ihn aber immer seltener“, blickt sie zurück. Deshalb verwandelten die Eheleute ihn in ein Gemeinschaftsbüro mit der dazugehörigen digitalen Infrastruktur. Dafür ließen sie extra ein leistungsstarkes Glasfasernetz legen.

Angrenzend gibt es zwei zurzeit vermietete Einzelbüros, eine Teeküche, eine Garderobe und sanitäre Anlagen. Im Flur steht außerdem ein Multifunktionsgerät mit Kopierer und Co zur gemeinsamen Nutzung bereit. Das Highlight: Von Mai bis September kann alternativ im Coworking-Garden im Freiluftbüro gearbeitet werden.

Silke Bromm-Krieger
Früher mal ein Kuhstall, heute ein moderner Arbeitsplatz.
Silke Bromm-Krieger
Im Coworking-Space teilen sich Menschen aus unterschiedlichen Berufsfeldern das Büro.
Silke Bromm-Krieger
In den warmen Monaten kann auch draußen im Coworking-Garden gearbeitet werden.

Idee aus dem Silicon Valley

Ursprünglich stammt die Idee des Coworkings aus dem Silicon Valley in Kalifornien. Auch in deutschen Metropolen und Städten gehört sie mittlerweile zum Alltag. Langsam aber sicher schwappt dieses Konzept jetzt in ländliche Gebiete über.

Wie kam Kirsten Voß-Rahe dazu, einen modernen Coworking-Space auf den Hof zu holen? „Die Idee brachte ich 2018 von der Grünen Woche in Berlin mit. An einem Infostand hörte ich das erste Mal davon. Ich dachte sofort, dass das etwas sein könnte, das zu uns passt. Man riet mir, mich in dieser Sache an die Heinrich-Böll-Stiftung Schleswig-Holstein zu wenden.“ Hier traf sie auf Ulrich Bähr. Dieser plante gerade mit weiteren Akteuren die Gründung der „CoWorkLand eG“, einer Genossenschaft für Menschen, die einen solchen Bürogemeinschaftsraum im ländlichen Raum gründen und basierend auf den Coworking-Werten betreiben wollen. Kirsten Voß-Rahe war sofort engagiert mit dabei.

Coworking für eine zukunftsfähige Dorfentwicklung

Als die Genossenschaft schließlich 2019 an den Start ging, wurde Ulrich Bähr geschäftsführender Vorstand und sie Aufsichtsratvorsitzende. „Ich bin fest davon überzeugt, dass Coworking als Baustein einer zukunftsfähigen Dorfentwicklung einen wichtigen Platz einnehmen kann“, sagt die Mutter dreier Kinder und setzt hinzu: „Wir in Schleswig-Holstein sind Pioniere in Sachen Coworking im ländlichen Raum. Das zeigt sich besonders in einer Kooperation zwischen dem Land Schleswig-Holstein und der CoWorkLand eG. Seit Oktober können Landesbedienstete im Rahmen eines Pilotprojekts Coworking-Spaces nutzen, und das Land als Arbeitgeber übernimmt die Kosten dafür.“

„Coworking-Spaces sind eine riesige Chance, den Faktor Arbeit mehr in die ländlichen Räume zu holen.“

Kirsten Voß-Rahe Betreiberin von Hof Viehbrook

Zudem seien die kürzeren Anfahrtswege gut für Umwelt, Nachhaltigkeit und Work-Life-Balance. Beruf und Familie könnten besser unter einen Hut gebracht werden. Eventuell könnten dadurch sogar berufsbedingte Umzüge vermieden werden. „Man könnte ja drei Tage in der Woche im Coworking-Space in der Nähe seines Wohnorts arbeiten und an zwei Tagen direkt am weiter entfernten Firmensitz“, denkt sie laut nach.

In der Corona-Pandemie hätten gerade berufstätige Mütter die Erfahrung gemacht, dass das Home Office nicht unbedingt das Nonplusultra sei. „Die bewusste Teilhabe an der Arbeitswelt und reale zwischenmenschliche Kontakte fehlen bei dieser Arbeitsform“, gibt sie zu bedenken. Durch Coworking-Spaces könnten auf dem Land tolle Synergieeffekte entstehen.

„Das lebendige Dorf lebt davon, dass die Leute vor Ort sind und dass es nicht nur ein reiner Schlafplatz ist. Schauen Sie auf die dörflichen Feuerwehren. Wenn dort ein Alarm losgeht, sind tagsüber kaum mehr Kameradinnen oder Kameraden zu erreichen, weil sie zum Arbeiten in der Stadt sind.“

Kirsten Voß-Rahe Betreiberin von Hof Viehbrook

Es wäre schön, findet die Pädagogin, wenn das Dorf wieder zu dem werden würde, was es vor hundert Jahren einmal war: ein Arbeits- und Lebensmittelpunkt für seine Bewohnerinnen und Bewohner, nur eben mit anderen Berufen und Hintergründen als damals.

„Mit einem Coworking-Space entsteht im Ort wieder ein zuverlässig geöffneter und betreuter Ort, der eine Kultur der Offenheit und Inklusion bietet. Hier kann sich vieles ergänzend ansiedeln und ganze Orte wieder zum Leben erwecken.“

Ulrich Bähr Vorstand bei CoWorkLand

In Südbaden ist da noch nichts los…

Wer sich auf der Seite von CoWorkLand die Landkarte anschaut, sieht, dass bei uns in Südbaden bislang nur sehr wenige Coworking-Plätze eingetragen sind. Wer das ändern möchte, rennt bei der Genossenschaft CoWorkLand offene Türen ein. Ihr Ziel ist es, Mitglieder bei der Gründung und im Betrieb von Coworking-Spaces zu unterstützen und ihrer Kundschaft die Möglichkeit zu geben, an möglichst vielen Orten im ländlichen Raum ortsunabhängig zu arbeiten.

Außerdem ist im August 2023 ein Projekt im Landkreis Calw gestartet, mit dem das Land Baden-Württemberg Coworking aufs Land bringen will. Es geht auch darum leerstehende Gebäude wiederzubeleben und die Arbeitsplätze zu einem Sozialort zu machen.

Ihr könnt euch auch vorstellen, einen Coworking-Space auf eurem Betrieb einzurichten? Dann lasst es uns wissen, wir freuen uns auf eure Geschichten! 🙂

Wer gerne noch mehr erfahren möchte…

… kann sich hier das schöne Video der Deutschen Vernetzungsstelle Ländliche Räume (DVS) anschauen:

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