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Heutrocknung mit Solarluftkollektoren und Steinspeicher

Fridolin und Jonas Saier vom Pfändlerhansenhof in St. MärgenMaria Wehrle
Multimedia Fachbeitrag
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Meistens ist es Wasser, das von den Solarkollektoren auf den Dächern erwärmt wird – zur Nutzung als Brauchwasser oder für Heizzwecke. Auf dem Pfändlerhansenhof in St. Märgen im Schwarzwald erwärmen die Kollektoren hingegen Luft, die dann genutzt wird, um Heu zu trocknen. Für diese Heutrocknungsanlage, zu der auch ein großer Wärmespeicher für trübe Tage gehört, erhielten Fridolin Saier und Sohn Jonas in diesem Jahr den ersten Preis beim diesjährigen Landwirtschaftspreis für Unternehmerische Innovationen (LUI).

Bernward JanzingHofgebäude mit Solarluftkollektoren für die Heutrocknung
Blick auf das Hofgebäude mit dem angebauten Kuhstall (links); die Kollektoren für die Heutrockung sind die in der Mitte, ganz rechts ist eine Photovoltaik-Anlage und auf dem Kuhstall-Anbau befindet sich eine weitere Photovoltaik-Anlage.

So funktionieren Solarluftkollektoren und Steinspeicher

300 Quadratmeter Luftkollektoren der österreichischen Firma Cona liefern bei voller Sonneneinstrahlung Heißluft bis 100 Grad. Überschüssige Wärme kann für die Nacht und trübe Tage in einem Speicher vorgehalten werden. Dabei handelt es sich um einen Steinspeicher: 360 Tonnen faustdicke Rheinkiesel wurden aus Breisach in den Hochschwarzwald gebracht, wo sie in einer abgeschlossenen Betonkammer auf einem Rost liegend von der solar erwärmten Luft durchströmt werden. So können sie sich bis auf 70 Grad aufheizen.

Umgekehrt nimmt kühle Außenluft beim Durchströmen des Steinlagers die Wärme wieder auf. Die Luft wird dann in das 200 Quadratmeter große Heulager mit Trocknungsboxen unter dem Dach eingeblasen. Ist die Lufttemperatur zu hoch, wird sie durch Beimischung von Außenluft auf etwa 30 Grad reduziert, womit das Heu am schonendsten trocknet. Ein auf 70 Grad aufgeheizter Speicher nehme 3,96 Megawattstunden auf, sagt Jonas Saier. Das entspricht dem Wärmegehalt von rund 400 Liter Heizöl.

Barbara BenzSolarluftkolletoren
Eigentlich sehen sie relativ unspektakulär aus die Solarluftkollektoren – jedenfalls im Vergleich zu herkömmlichen Photovoltaik-Modulen. Unter ihnen kann sich die Luft auf bis zu 100 Grad Celsius erwärmen.
Barbara BenzLuftschächte Heutrocknung
Mal heiße Luft ablassen? Diese Schächte bringen Wärme an den richtigen Ort.
Barbara BenzSteinspeicher Heutrocknung
Rund 360 Tonnen faustdicke Rheinkiesel speichern überschüssige Wärme für weniger sonnige Tage.

Vergleich mit elektrisch betriebener Trocknung

Ein sonniger Tag reiche aus, um die Trocknung über Nacht fortzusetzen, sagt Jonas Saier. Speichert man die Wärme von mehreren sonnigen Sommertagen, lassen sich auch trübe Tage gut überbrücken. Außer dem Strom für die Lüfter brauche die Heutrocknung dann keine fremde Energie. In dem gesamten Projekt stecke auch manche Eigenentwicklung. Hätte man eine elektrisch versorgte Trocknung gebaut, wäre man auf 12.000 bis 15.000 Euro an Stromkosten im Jahr gekommen, so die Landwirte. Die Kollektoren mit Zubehör haben 142.000 Euro (netto) gekostet, der Steinspeicher 106.000 Euro.

Maria WehrleKühe fresse Heu von einem Futterband
Hmm… das schonend getrocknete Heu enthält besonders viele Inhaltsstoffe. Bei diesen Ladys fällt das Futter sogar von der Decke und wird auf einem Futterband serviert – fast wie im Sushi-Restaurant 🙂

Heumilch

Der 1717 erbaute Pfändlerhansenhof steht damit einmal mehr für die Verbindung traditioneller Schwarzwaldlandwirtschaft mit moderner Technik und Betriebsführung. Bereits 1997 waren Fridolin und Susanne Saier für ihren Rundholz-Kaltstall mit dem LUI ausgezeichnet worden. Heute werden auf dem Hof 75 Milchkühe und in geringem Umfang Nachzucht gehalten. Bewirtschaftet werden 85 Hektar Land, 30 eigene und 55 direkt angrenzend gepachtet. Der Bioland-Betrieb liefert Heumilch, bei deren Erzeugung nach EU-Verordnung keine Gärfuttermittel verfüttert werden dürfen. Sie wird von der Molkerei Schwarzwaldmilch abgenommen und separat vermarktet, was den Erzeugern zusätzlich zum Biomilchpreis einen Erlös von rund fünf Cent je Kilogramm bringt.

Dieser Zusatzerlös sei auch nötig, um die Trocknungsanlage refinanzieren zu können, sagt Fridolin Saier. Das Konzept ermögliche eine besonders werterhaltende Heuerzeugung, denn bei der Trocknung im Freien degenerieren unter starker Sonneneinstrahlung wertvolle Inhaltsstoffe. Die höhere Qualität des schonend getrockneten Futters verbessere nicht nur die Qualität der Milch, man erziele auch rein quantitativ einen Nutzen: „Wir haben kaum Bröckelverluste“, sagt Fridolin Saier.

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Erschreckend aktuell

Alexander Seibold

„Die Saiers sind durch die Entwicklung ihrer solaren Heutrocknungsanlage ein Stück unabhängiger von den globalen Märkten geworden.“

Alexander Seibold Geschäftsführer Bund Badischer Landjugend

In kleinem Rahmen verlieh der Bund Badischer Landjugend (BBL) nun den Preis vor Ort. Von einer offiziellen Feier war man abgerückt: „Wir waren uns einig, dass eine Präsenzveranstaltung nicht zur Corona-Lage gepasst hätte“, sagt Alexander Seibold vom BBL.
Während nun eine kleine Delegation, bestehend aus BBL-Geschäftsführer Seibold und Jurysprecher Jonas Kaufmann nach St. Märgen reiste, um der Familie die Auszeichnung samt 2500 Euro Preisgeld zu überreichen, bekam das Projekt durch den Angriff Russlands auf die Ukraine noch eine erschreckend aktuelle Komponente. Die Saiers seien durch die Entwicklung ihrer solaren Heutrocknungsanlage ein Stück unabhängiger von globalen Märkten geworden, hatte die Jury schon vorab in ihrer Laudatio formuliert – ein Aspekt, der zwischenzeitlich dramatisch an Relevanz gewann und damit die Bedeutung des Projektes unterstreicht.

Bernward JanzingPreisverleihung LUI 2021
Schon zum zweiten Mal gewann die Familie Saier den LUI. Das Schild hinten an der Wand stammt vom Jahr 1997, als es den Preis für den Rundholz-Kaltstall gab. Das neue Schild überreichten Jury-Mitglied Jonas Kaufmann (links) und BBL-Geschäftsführer Alexander Seibold (rechts) an Susanne, Fridolin und Jonas Saier (von links).

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