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Solarenergie nicht nur erzeugen, auch speichern – so geht’s

Imago
Fachbeitrag
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In Heiligenberg wird eine zwölf Hektar große Freiflächen-Photovoltaikanlage gebaut. Es ist eines der ersten Projekte in Baden-Württemberg, bei dem zusätzlich ein großer Batteriespeicher zum Einsatz kommt.

Nachdem Hubert Bechinger das Hofgut Rickertsreute in Heiligenberg 2017 von seinem Onkel Johann Restle übernommen hatte, stand der 39-jährige Nebenerwerbslandwirt vor der Frage, wie er den Bioland-Betrieb mit Mutterkuhhaltung, 50 ha Acker- und Grünland sowie 30 ha Wald weiterführen sollte. Er entschied sich, die Tierhaltung ganz aufzugeben und Stromerzeugung zum neuen Betriebszweig zu machen. Nun soll in drei Monaten Bauzeit die erste Freiflächen-Photovoltaikanlage im Bodenseekreis entstehen. Ihre Jahresleistung soll 15 Millionen Kilowattstunden (kWh) erreichen, das entspricht etwa dem Jahresverbrauch von 5000 Haushalten.

Zunächst Skepsis

Als Bauingenieur und Projektentwickler hatte sich der junge Familienvater bereits mit regenerativen Energien beschäftigt und zog zunächst die Errichtung von Windkraftanlagen in Erwägung. Hierzu konnte ihm die Gemeinde jedoch keine Zustimmung signalisieren. Bechinger ließ sich nicht entmutigen und machte sich an die Planung einer Photovoltaikanlage auf seiner 12 ha großen Grünlandfläche.
„Als Hubert Bechinger im Frühjahr 2020 mit der Idee auf mich zukam, habe ich Potenzial für die Gemeinde gesehen“, sagte Bürgermeister Frank Amann vergangene Woche beim Spatenstich. Die vielen Jungbauern im Gemeinderat hätten den Flächenverbrauch zwar zunächst kritisch gesehen. Doch in Informationsveranstaltungen sei das Vorhaben breit diskutiert und im Sommer 2020 fast einstimmig beschlossen worden. Die Überzeugungsarbeit habe sich ausgezahlt, freute sich Amann. Heiligenberg habe jetzt mit der Anlage künftig nicht nur zusätzliche Einnahmen, sondern auch ein neues Alleinstellungsmerkmal.

Antonia Kitt
Der Solarpark ist 12 Hektar groß.

Für sein Projekt gründete Bechinger eine GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer er ist. Das Investitionsvolumen beträgt rund elf Millionen Euro brutto. Davon entfallen etwa zwei Drittel auf die Photovoltaikanlage und ein Drittel auf den Batteriespeicher. Eine Förderung gab es nicht. Allerdings erfolgte die gewählte Kombination von Energieerzeugungsanlage und Großspeichersystem nach Innovationsausschreibung der Bundesnetzagentur. Dank des innovativen Speichersystems können Verluste durch eventuell begrenzte Netzanschlusskapazitäten vermieden und eine deutlich höhere Photovoltaikleistung installiert werden. Den Einsatz eines solchen Speichers belohnt die Bundesnetzagentur über die Innovationsausschreibung mit einer fixen höheren Marktprämie von rund 4 Cent pro kWh.

„Die Planung war sehr komplex“

Hubert Bechinger Solarpark-Betreiber

Der Zeitaufwand für die Planung habe über zwei Jahre hinweg den Umfang einer vollen Stelle betragen. Ohne seinen Projektsteurer Christian Böhm hätte er das nicht stemmen können. Für den Anschluss an den nächsten, über zwei Kilometer entfernten Netzverknüpfungspunkt mussten mit mehreren Grundstückeigentümern Verträge geschlossen werden.
Die gesamte Anlage ist mit 1600 Meter Zaun umgeben mit genügend Abstand zum Boden, um die Durchwanderbarkeit für Kleinsäuger wie Feldhasen oder Igel zu gewährleisten. Die Fläche soll mit einer Blühmischung eingesät und mit 100 bis 150 Schafen beweidet werden. Einmal pro Jahr werde er die Fläche mulchen, so Bechinger.

10.000 Pfosten

  • Die Anlage wird von der Würzburger Firma Sens (Steag Solar-Energy Solutions GmbH) quasi schlüsselfertig errichtet. Auf dem leicht hügeligen Gelände sollen 623 Tische mit insgesamt 22068 Solarmodulen aufgestellt werden. Ein Modul ist etwa ein auf zwei Meter groß.
  • Die Tische stehen auf rund 10000 Pfosten mit C-Profil. Sie werden ohne Fundament direkt in den Boden gerammt. Die Positionierung auf der Fläche erfolgt über GPS. Die Module werden in China gefertigt, der Stahl für die Pfosten kommt aus Deutschland.
  • Die Abstände zwischen den Tischreihen betragen 4,5 bis 6,0 Meter, an manchen Stellen aufgrund der Topografie auch etwas mehr. Die Neigung der Tische beträgt 18 %. Die Vorderkante hat 60 bis 80 Zentimeter Abstand vom Boden, die Hinterkante 2,20 bis 2,30 Meter. Weitere 797 Solarpaneele werden auf zwei Dachflächen des Hofareals installiert.
  • Den Batteriespeicher für die Anlage liefert die auf Industriespeicher spezialisierte Dresdner Firma Tricera. Er hat eine Kapazität von 10000 kWh, das entspricht etwa dem durchschnittlichen Tagesverbrauch von 1000 Haushalten. Für den Speicher werden 800 Batteriemodule vor Ort in Rickertsreute in drei jeweils 7,40 Meter lange Container eingebaut. Die drei bestückten Container bringen dann zusammen ein Gewicht von 90 Tonnen auf die Waage. Die Batteriemodule werden auf der Basis von Elektrofahrzeug-Batterien der Firma Daimler gebaut.

Im Oktober an’s Netz

Im September 2022 soll der Solarpark fertiggestellt sein und gleich im Oktober ans Netz gehen. Den Strom will Bechinger zu Börsenpreisen vermarkten. Dazu ist er gerade noch im Entscheidungsprozess für einen passenden Direktvermarkter. Die Vermarktung erfolgt dann frei an der Börse und nicht über einen langfristigen Abnahmevertrag, ein sogenanntes Power Purchase Agreeement (PPA), wie er für große Photovoltaikprojekte oft vereinbart wird. Bechinger begründet die Wahl seiner Vermarktungsstrategie damit, dass er über die fixe höhere Marktprämie – die er wegen seines Speichers bekommt – schon ein gewisses Maß an Sicherheit über die Höhe der Vergütung hat.
Bechinger und Projektsteurer Christian Böhm möchten ihre Zusammenarbeit fortsetzen. „Wir haben Wissen aufgebaut, das wir multiplizieren wollen“, sagte Bechinger. Es gebe bereits Ansätze für neue Projekte auf anderen Flächen. Bei einer Flächenpacht zwischen 2500 und 4000 Euro pro Hektar im Jahr könne die Freiflächenphotovoltaik auch für Landwirte interessant sein, welche die Anlage nicht wie Bechinger selbst betreiben wollten.

Gegenwind in Bonndorf

Allerdings dürfte die Zustimmung zu Anlagen dieser Art selten so einhellig sein wie in Heiligenberg. Eine weitere im Bodenseekreis in Überlingen-Bonndorf von zwei Landwirten geplante 5,8 Hektar große Anlage ist dort umstritten. Der Ortschaftsrat votierte dagegen. Bürger sorgen sich um Landschaftsbild und Geräuschentwicklung, Landwirte fürchten den Verlust von Pachtflächen. Der Überlinger Gemeinderat vertagte die Entscheidung, um ein Gutachten zur Bodenqualität abzuwarten, denn auf den Flächen wird momentan Ackerbau betrieben.

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