Zurück

Sind 900 Mio. Euro genug um unseren Wald zu retten?

Multimedia Checkliste
0

Seit dem 12. November 2022 ist es soweit – das Förderprogramm zum klimaangepassten Waldmanagement kann jetzt beantragt werden. 900 Mio. Euro sollen bis 2026 für Klima- und Biodiversitätsschutz abrufbar gemacht werden. Wie das geht und welche Kriterien du erfüllen musst, haben wir hier zusammengefasst:

Schon klar, dass die Wälder leiden. Sie leiden unter dem Klima und dessen Auswirkungen. Wir uns viele andere haben bereits berichtet, welche Maßnahmen jetzt ergriffen werden können, welche Baumarten vermutlich resilient sind, was auf uns zukommt.

Das Förderprogramm, das vom BMEL Ende letzten Jahres in Kraft getreten ist, soll jetzt auch eine ordentliche finanzielle Erleichterung für Waldbesitzende geben.

Mit diesem Förderprogramm sollen nicht nur Baumpflanzungen und Verjüngungsmaßnahmen honoriert werden, auch sollen (endlich) Ökosystemleistungen in die Finanzierung mit einfließen. Das heißt, jetzt sollen auch Biodiversitäts- und Erholungsleistungen honoriert werden.

Aber lohnt sich die Bürokratie dahinter überhaupt? Das BMEL hat Waldbesitzenden einige Kriterien auferlegt, die Waldbauern jetzt erfüllen müssen, bevor sie finanzielle Mittel erhalten.

KriteriumWas?Warum?
Vorausverjüngung ist PflichtVorausverjüngung durch Voranbau bzw. Naturverjüngung mit mindestens 5-7-jährigem Verjüngungszeitraum vor Nutzung/ Ernte des Bestandes in Abhängigkeit vom Ausgangs- und Zielbestand.Mit der Vorausverjüngung können Probleme und hohe Aufwendungen vermieden werden, die mit der Wiederbewaldung einer kahlen Fläche verbunden sind. Das bodennahe Klima profitiert ebenfalls von längeren Verjüngungszeiträumen ebenso wie die Biodiversität, da eine zweite Baumschicht etabliert wird.
Vorfahrt für Naturverjüngung gebenDie natürliche Verjüngung hat Vorrang, sofern klimaresiliente, überwiegend standortheimische Hauptbaumarten in der Fläche ankommen.Wegen ihrer hohen genetischen Diversität bietet die Naturverjüngung die besseren Voraussetzungen für die Klimaanpassung von Bäumen. Naturverjüngte Pflanzen haben einen Startvorteil, der sich auch über die gesamte Lebenszeit vorteilhaft auf die Bäume auswirkt.
Standortheimische Baumarten verwendenBei künstlicher Verjüngung müssen Anbauempfehlungen der Länder eingehalten werden, dabei ist ein überwiegend standortheimischer Baumartenanteil einzuhalten.Die Baumartenempfehlungen der Länder sind wissenschaftlich fundiert und berücksichtigen die Klimafolgen auf die Waldökosysteme. So wird verhindert, dass Baumarten gepflanzt werden, die mit den Bedingungen vor Ort nicht zurechtkommen.
Natürliche Entwicklung auf kleinen Freiflächen zulassenSukzessionsstadien und Vorwäldern müssen bei kleinflächigen Störungen zugelassen werden, da sich so eine gut angepasste Folgegeneration an Bäumen entwickeln kann.Ungelenkte Sukzessionsprozesse sind für die natürlichen Anpassungsprozesse im Waldökosystem von großer Bedeutung. Zudem sind Sukzessionsflächen Hotspots der Biodiversität.
Größere Baumartendiversität schaffenErhalt oder, falls erforderlich, Erweiterung der klimaresilienten, standortheimischen Baumartendiversität zum Beispiel durch Einbringung von Mischbaumarten über geeignete Mischungsformen.Eine möglichst standortheimische Baumartendiversität trägt zum Erhalt und zur Entwicklung von resilienten und anpassungsfähigen Wäldern mit bei – und das Risiko bei Ausfällen einzelner Baumarten wird gestreut.
Große Kahlflächen vermeidenKahlschläge sind tabu. Sanitärhiebe bei Kalamitäten sind möglich, sofern dabei mindestens 10 % der Derbholzmasse als Totholz für mehr Artenvielfalt belassen werden.Eine echte Präventionsmaßnahme, denn durch das Kahlschlagverbot wird u.a. verhindert: Die schlagartige Veränderung des für Jungpflanzen wichtigen Waldinnenklimas, die Gefährdung der Nachbarbäume und –-bestände bei Extremwetter und das rapide Absenken des Kohlenstoffspeichers Wald.
Mehr Totholz für mehr LebenAnreicherung und Erhöhung der Diversität an Totholz sowohl stehend wie liegend und in unterschiedlichen Dimensionen und Zersetzungsgraden; dazu zählt auch das gezielte Anlegen von Hochstümpfen.Für zahlreiche Tier-, Pilz- und Pflanzenarten ist Totholz ein wichtiger Lebensraum. In gesunden Wäldern sorgt es vorübergehend zudem für die Speicherung von Kohlenstoff und Wasser und verbessert die Humusanreicherung im Nährstoffkreislauf.
Mehr Lebensräume mit Habitatbäumen schaffenKennzeichnung und Erhalt von mindestens fünf Habitatbäumen oder Habitatbaumanwärtern pro Hektar, die bis zur Zersetzung auf der Fläche verbleiben. Ausweisung der Habitatbäume: spätestens zwei Jahre nach Antragstellung.Habitatbäume sind mit ihren vielfältigen Mikrohabitaten eine Kernkomponente der Waldbiodiversität und u.a. Lebensraum für Vögel, Fledermäuse und Insekten.
Größerer Rückegassenabstand: Begrenzung der Bodenverdichtung Die Fahrlinien im Wald (Rückegassen) müssen bei Neuanlage mindestens 30 Meter (bei verdichtungsempfindlichen Böden sogar mindestens 40 Meter) voneinander entfernt sein.Das Befahren des Waldes mit schwerem Gerät kann den Boden verdichten, was sich negativ auf die Stabilität der Waldbestände und des Bodens auswirkt. Deshalb essentiell: Die Begrenzung der befahrenen Fläche.
Pflanzen natürlich gesund erhaltenVerbot von Düngung und Pflanzenschutzmittel. Mit Ausnahme von Polterbehandlungen als letztes Mittel bei schwerwiegender Gefährdung der verbleibenden Bestockung bzw. bei akuter Gefahr der Entwertung des liegenden Holzes.Aufgrund der großflächigen Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf Nichtzielorganismen und damit die Biodiversität im Wald dürfen diese nur als „Ultima ratio“ zur konkreten akuten Gefahrenabwehr verwendet werden.
Wasserhaushalt verbessernMaßnahmen zur Wasserrückhaltung einschließlich des Verzicht auf Entwässerung von Beständen und Rückbau existierender Entwässerungsinfrastruktur bis spätestens fünf Jahre nach Antragstellung.Indem Wasser im Waldökosystem gehalten wird, verbessert sich die Resilienz des Waldes gegenüber Dürren.
Raum für natürliche Waldentwicklung geben Auf 5 % der Waldfläche sollen sich die Wälder natürlich entwickeln –ein Pflichtkriterium bei einer Fläche über 100 ha und unter100 Hektar freiwillig. Die naturschutzfachlich notwendige Pflege- bzw. Erhaltungsmaßnahmen oder die Verkehrssicherung werden nicht als Nutzung gewertet.Wälder mit natürlicher Entwicklung erhöhen den Kohlenstoffvorrat im Wald bis zum Erreichen des Klimaxstadiums. Sie unterstützen natürliche Anpassungsprozesse in Reaktion auf den Klimawandel und sind notwendig, um das gesamte Spektrum von an den Wald gebundener Biodiversität zu erhalten.

Diese 12 Kriterien sind eine anspruchsvolle Sammlung für eine Ökosystem-Förderung. Dennoch: sie verspricht 100 € / ha und Jahr können beantragt werden. Im Prinzip heißt das aber auch, dass sich dieser Aufwand für Kleinstflächen kaum lohnt.

Viel Risiko und Unsicherheit, was danach kommt

Professor Jürgen Bauhus von der Universität Freiburg war durch seinen Sitz im wissenschaftlichen Beirat des BMEL daran beteiligt das Programm auf die Beine zu stellen. Aber auch er ist nicht bei allem so ganz zufrieden. So zum Beispiel bemängelt er, dass Biodiversitätsleistungen noch nicht differenziert behandelt werden.

In unserer Podcastfolge zum Thema klimaangepasstes Waldmanagement erzählt mir Jürgen Bauhus das Für und Wider des Programms, welchen Unsicherheiten und Risiken Waldbesitzende trotz finanzieller Unterstützung gegenüberstehen und auch welchen moralischen Ablasshandel wir mit dem Wald eingehen (müssen) anstatt Natur, Natur sein zu lassen.

Die Podcast Folge zum Anhören – direkt hier bei uns oder auf Spotify, YouTube, AppleMusic

Wer übrigens diese o.g. Kriterien erfüllt, oder erfüllen wird, kann die Förderung beim FNR beantragen.

Kommentieren

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Informationen zur Verarbeitung dieser Daten finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen.

Du brennst für dieses Thema?

Deine Meinung zählt!

Wirlandwirten - gemeinsam! Wir sind stolz auf unsere Community und freuen uns über alle, die dabei sein wollen. Du möchtest ein Thema vorschlagen? Du möchtest der Community etwas von deinem Hof zeigen? Melde dich, wir sind gespannt!

Adobe Stock