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Photovoltaik im Weinberg ist nicht nur Klimaschutz

WBI Freiburg
Fachbeitrag
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Bei Agri-Photovoltaik wird die Energieproduktion in die landwirtschaftliche Produktion integriert. Der Flächenkonflikt zwischen Nahrungsmittel- und Energieproduktion bleibt aus und noch besser: Im Idealfall profitieren beide Seiten. Funktioniert das auch im Weinbau?

Effizienz und Schutz sind gefragt

Extreme Wetterbedingungen bringen die Landwirtschaft durcheinander. Von Hitzewellen und Dürren über starken Regen, Sturmböen und Hagel – in den letzten Jahre war von allem etwas dabei. Deshalb sind Schutzsysteme gefragt, die zumindest das Schlimmste verhindern können.

Außerdem steht immer weniger Fläche zur Verfügung, sodass mit vorhandenen Ressourcen effizienter gearbeitet werden muss. Durch erneuerbare Energien bietet sich die Möglichkeit, weitere Einnahmen aus landwirtschaftlich genutzten Flächen zu generieren. Wind- und Solarenergie bieten sich an.

Eine Lösung: Die Doppelnutzung der Fläche für Landwirtschaft und Solarenergie = Agri-Photovoltaik.

Im Weinbau wird diese Kombination Viti-PV genannt.

Pilotprojekt Viti-Photovoltaik

Im Rahmen des Regiowin-2030-Projektes Weinbau 4.0 wurden in Südbaden vier Agri-Photovoltaikanlagen über Weinreben geplant. Das staatliche Weinbauinstitut (WBI) Freiburg hat sich zum Ziel gesetzt, diese neue Technologie von Anfang an zu begleiten und zu untersuchen.

Die erste Pilotanlage befindet sich in Munzingen und wurde von der Firma Gsun GmbH gebaut. Sie hilft dem WBI  bei der Beurteilung der Effekte von PV-Anlagen auf die Physiologie der Weinrebe.

Auf der Anlage am Gutsbetrieb Blankenhornsberg sind zwei verschiedene Systeme entstanden. Eines mit feststehenden Kollektoren und eines mit beweglichen, getrackten Modulen. Letztere können die Sonne entweder verfolgen oder sich abwenden, sodass die Weinreben immer genug Licht bekommen. Koordiniert durch die Wirtschaftsförderung des Landkreises Emmendingen und gebaut von der Firma Intech, geht die Anlage voraussichtlich im Juni ans Netz. 

 

Vorteile von Photovoltaik in Weinreben

PV-Anlagen passen gut zu den Drahtanlagen der Weinreben, die in Reihen stehen. Die Photovoltaikmodule lassen sich relativ einfach über der Reihe und in verhältnismäßig geringer Höhe anbringen.

Vorteile für die PV-Module:

+ Kühlung durch Transpiration der Reben

+ höhere Wirksamkeit durch Kühlung

Vorteile für die Weinreben:

+ Schutz vor Hagel, Spätfrost, Sonnenbrand

+ Vermutlich verringerter Spritzmittelaufwand

Vorteile für den Winzer: 

+ Erlös des Stroms bringt Einkommensdiversifizierung

+ Strom für Eigenverbrauch

Zu viel Schatten unter PV-Modulen?

Dass die Reben unter den Modulen zu wenig Licht abbekommen, erwarten die Forscher:innen nicht. Die Lichtmenge für die Rebe lässt sich mithilfe von Schattensimulationen sehr gut einstellen. Zudem gibt es Erfahrungswerte aus anderen Kulturen. Im Sommer ist die Lichteinstrahlung regelmäßig so stark, dass der sogenannten Lichtkompensationspunkt überschritten wird. Dann bedeutet mehr Licht für die Pflanze nicht zusätzliche Produktion, sondern zusätzlichen Stress.

Doppelter Nutzen

Tatsächlich konnte das Fraunhofer Institut für Solare Energien (ISE) mit Agri-PV sogar einen Mehrertrag in trockenen Jahren feststellen. Viti-PV ist durch die Erzeugung von erneuerbarer Energie einerseits und den Schutz vor Klimaextremen andererseits für das WBI ein potenzieller Klimaschützer hoch zwei.

Achtung Erosion

Durch die Solarmodule entstehen Abtropfkanten, die das Risiko von Erosion erhöhen. Mit einer gut etablierten Begrünung kann das jedoch vermieden werden. Direkt nach dem Bau kann zur Unterstützung ein Nährstoffflies in den Boden eingearbeitet werden.

Bei der Anlage in Munzingen wird das Regenwasser immer von zwei Reihen in eine Gasse geleitet. Diese Gassen sollten nicht auch noch als Fahrgasse genutzt werden, weil sonst der Boden zu stark verdichtet wird. Stattdessen könnten sie als Versickerungsgassen gestaltet werden: So wird das gesamte Regenwasser  aufgenommen und der Bodenwassergehalt für die Reben angehoben.

Noch besser: Das Regenwasser der PV-Anlagen sammeln und bei Trockenheit über ein Bewässerungssystem zurückführen. Interessant wäre das vor allem bei semiaridem Klima.

Weitere Forschung steht an

Das WBI wird in Zusammenarbeit mit dem ISE und der Uni Freiburg in den kommenden Jahren Messdaten aus den Viti-PV-Systemen sammeln. Auch die oben erwähnte Schutzwirkung wird untersucht.

 

Wie beeinflussen die veränderte Sonneneinstrahlung, Temperatur und Bodenfeuchtigkeit die

 ↓

Rebentwicklung, Bewirtschaftung, Gesundheit der Reben, Traubenreife, Ernte, Weinherstellung, Qualität

 

Passt’s in die Landschaft?

PV-Anlagen würden das Landschaftsbild der Weinberge stark verändern. Was denkt ihr, überwiegt trotzdem der Nutzen? Welche Rolle spielt die Energieproduktion auf eurem Betrieb?

Kommentare 11

  1. Hallo können alle Reihen mit dem Vollernter geerntet werden?

    Friedhelm Strickler
    • Hallo Friedhelm, entschuldige die späte Rückmeldung. Der Autor des Artikels konnte deine Frage wie folgt beantworten:
      Grundsätzlich können nur die Reihen mit dem Vollernter befahren werden, welche keine Pfosten aufweisen. In der Anlage am Blankenhornsberg ist jede dritte Reihe mit Pfosten für die PV-Aufständerung versehen, daher können zwei von drei Reihen mit Vollernter gelesen werden. Bei der Anlage in Munzingen besitzt jede vierte Reihe Pfosten, dort können also 3 von 4 Reihen mit Überzeilengerät bearbeitet werden.
      Das verwendete System der Agri-PV ist weiterhin relevant, in Agri-PV Anlagen mit einzelnen Modulreihen mit Nachführung können die PV-Module zur Seite gekippt werden, so dass dort problemlos gearbeitet werden kann. Bei Systemen, wo die gesamte Fläche quer-überspannt ist und jede Weinreihe mit PV-Modulen bestückt ist, limitiert der unterste Stahlträger die Arbeitshöhe. Aufgrund der Statik ist bei der Anlage am Blankenhornsberg nur eine maximale Höhe von 4,1 m möglich. Da Vollernter mit Kabine in Arbeitsposition einen Freiraum von ca. 4,5 m Höhe benötigen, können diese in den beiden bestehenden Anlagen nicht genutzt werden. Im Gegenzug dazu sind nachgezogene Vollernter weniger hoch und können eingesetzt werden.

      Wenn wie in den Versuchsanlagen auch die Reihen mit den Trägerpfosten bepflanzt werden, bleibt immer ein Teil, welcher nicht maschinell geerntet werden kann. In der Praxis können diese Reihen aber auch beispielsweise durch eine breitere Gasse ersetzt werden, so dass eine volle mechanische Bewirtschaftung möglich ist.

      Viele liebe Grüße

      Adriane März
  2. Von der Agri-Photovoltaik hatte ich schon gehört, finde es aber sehr interessant, dass das Thema hier nochmal eingängig erklärt wird. Dass sie auch zum Weinanbau eingesetzt werden kann, war mir nicht klar. Wir möchten auf unserem Haus demnächst auch eine Photovoltaikanlage installieren lassen und es freut mich, dass wir damit sowohl Geld sparen als auch etwas für die Umwelt und die Zukunft tun können. https://soflatech.de/photovoltaikanlagen/

    Marco S.
  3. Ich habe drei Fragen und würde mich über Antworten oder weiterführende Hinweise freuen:
    Ist die Aufständerung für die Module über den Rebstöcken nicht teurer und der Zugang zu den Modulen umständlicher?
    Hat sich das Nebeneinander von PV und Weinbau in verschiedenen Betrieben bewährt? Ich könnte mir vorstellen, dass es eher zu Unstimmigkeiten kommt, wenn der Betrieb beider Zweige nicht aus einer Hand kommt.
    Beste Grüße
    Thomas Vetter

    Thomas Vetter
    • Hallo Thomas,
      ich habe deine Frage an unsere Experten weitergeleitet und folgende Antworten bekommen:
      1. Ja, die höhere Aufständerung ist durch die Stahlkonstruktion mit zusätzlichen Kosten verbunden. Um die Trauben mit einem Vollernter (mit Kabine) ernten zu können, ist eine Höhe von mindestens 4,50 m notwendig. Dadurch sind die Solarmodule natürlich schwieriger und nur mit einer Arbeitsbühne zu erreichen.
      2. Ob sich das Nebeneinander von PV und Weinbau bewehrt, zeigt sich erst nach Ablauf des Projekts, da die Anlage erst kürzlich fertiggestellt wurde, liegen hierzu noch keine Ergebnisse vor. Allerdings werden positive Effekte erwartet, welche im Artikel aufgelistet wurden.
      3. Es würde wahrscheinlich zu Interessenkonflikten kommen können, wenn der Landwirt die Fläche für Agri-PV verpachtet, so dass der Landwirt keine Einkommensdifferenzierung (außer die Pacht) hat. Ihm bleibt dann nur die Schutzfunktion der PV gegen Extremwetterereignisse und eventuelle Ertragsverluste bei besonders guten Jahren. In sehr trockenen und heißen Jahren, könnte APV jedoch eine Ertragssteigung liefern. Die Idee ist es, um eine zusätzliche Einkommensquelle zu generieren und gleichzeitig landwirtschaftliche Erzeugnisse zu produzieren. Die doppelte Flächennutzung steigert die Landnutzungseffizienz. Hier geht man von einem Verlust von 20% bei PV und Landwirtschaft aus, so dass PV und Landwirtschaft 80% Ertrag liefern. Die Landnutzungseffizienz wird um > 60 % gesteigert. Neben den zu erwartenden positiven Effekten, ist jedoch mit einem Mehraufwand in den Reihen mit Stahlpfosten zu rechnen, welche von dem WBI in den nächsten Jahren untersucht und die Wirtschaftlichkeit evaluiert wird.

      Ich hoffe deine Fragen konnten so beantwortet werden. Falls du dich mit dem Projekt oder Agri-PV im Weinbau näher befassen möchtest, leite ich dir auf Anfrage gerne den entsprechenden Kontakt weiter.
      Beste Grüße vom wirlandwirten-Team

      Adriane März
  4. Danke für den Beitrag. Wirklich spannend, dass es als Winzer:in einen großen Vorteil haben kann, sich eine Photovoltaik installieren zu lassen. Ich habe darüber noch nie nach gedacht, aber klar bietet die Anlage Schutz vor Hagel, Spätfrost und Sonnenbrand. Ein Freund von mir ist Winzer und ich werde ihn mal fragen, ob er auch schon darüber nachgedacht hat sich eine Anlage zu installieren.

    clara grün
    • Hallo Clara, freut uns, dass dich der Beitrag inspiriert hat. Uns interessiert natürlich auch, was dein Freund als Praktiker denkt. Erzähl ihm gerne von uns 🙂

      Maria Wehrle
  5. Wir möchten uns tatsächlich hauptsächlich aus Klimaschutzgründen eine Photovoltaikanlage planen lassen. Ich hoffe, dass wir alle Voraussetzungen für die Installation erfüllen werden. Über ökonomische Einsparungen würden wir uns natürlich auch sehr freuen.

    Marie Busch
  6. […] LandwirtschaftPhotovoltaik in Weinbergen […]

  7. Hallo,
    mich interessiert das Thema sehr und ich möchte deswegen hiermit nachfragen ob es schon die ersten Ergebnisse aus den Forschungen über Wirtschaftlichkeit und den positiven Effekte gibt?
    Vielen Dank

    Ivan
    • Hallo Ivan,

      freut uns, dass dich das Thema interessiert. Wir haben für dich beim Weinbauinstitut Freiburg (WBI) nachgefragt. Bis jetzt nur erste Erkenntnisse, aber noch keine tatsächlichen Ergebnisse. Die Schutzfunktion gegen Sonnenbrand konnte im Jahr 2023 schon bestätigt werden. Zudem wuchsen die Reben teilweise stärker in die Höhe (längere Internodien), was eine Schattenvermeidungsreaktion der Pflanze andeutet. Im Vergleich zu den Trauben in voller Sonne, hatten die Trauben unter Agri-PV einen geringeren Zuckergehalt, dafür aber einen höheren Säuregehalt.

      Die Wirtschaftlichkeit einer Agri-PV hängt laut WBI vom Stromerlös pro kWh und der Entfernung des Netzanschlusses ab. In Riegel ist die erste Agri-PV einer Energiegenossenschaft geplant, sodass durch Direktabnahme des Stroms höhere Erlöse erzielt werden können. Der Break-even-point beläuft sich dem WBI zufolge dann auf rund 15 Jahre. Die Laufzeit einer Agri-PV-Anlage ist vergleichbar mit der einer Rebfläche, also etwa 30 Jahre.

      Mehr gibt es leider noch nicht 🙂 Ich hoffe, es hilft dir trotzdem. Viele Grüße

      Maria Wehrle

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