Pilzwiderstandsfähige Rebsorten sind wesentlicher Teil der Agrarwende, sagen Martin Schmidt und Philipp Rottmann. Aus einer gemeinsamen Idee haben sie das Piwi-Kollektiv gegründet, das Winzer:innen an die Hand nimmt, die auf ökologischen Weinbau umstellen wollen. Deren Trauben werden in Eichstetten auf dem Weingut von Martin Schmidt gekeltert und zu einer Schaumwein-Cuvée verarbeitet, die als „NOU Piwi-Crémant“ erhältlich ist.
Ob Klimawandel oder Artenschutz – zunehmend stehen bislang gebräuchliche Mittel und Anwendungen, die das Gedeihen von Nutzpflanzen fördern, in der Kritik. Auch im Weinbau, der aufgrund steigender Temperaturen und invasiver Schädlinge stetig wachsenden Herausforderungen ausgesetzt ist. Weniger anfällige Pflanzen, können die Umstellung auf ökologische Bewirtschaftung leichter machen. Weine, die aus pilzwiderstandsfähigen Rebsorten, den Piwis, gekeltert werden, tun sich jedoch bislang in der Gunst der Verbraucher eher schwer.
Da Piwi-Sorten während der Vegetationsphase bis zu 80 Prozent weniger Pflanzenschutzmittel benötigen, sind sie ein wesentlicher Teil der Agrarwende, sagen Martin Schmidt und Philipp Rottmann. Sie haben das Piwi-Kollektiv gegründet, mit dem sie die Entwicklung vorantreiben und Traubenerzeuger:innen bei der Umstellung unterstützen wollen.
Genossenschaftliches Vorbild
Martin Schmidt, Bio-Winzer aus Eichstetten im Kaiserstuhl, Vorstand von Ecovin Baden und Vizepräsident des Badischen Weinbauverbands, hat erst vor rund eineinhalb Jahren den Nebenerwerbswinzer Philipp Rottmann kennengelernt. Dieser leitet ein nachhaltiges Start-up-Förderprogramm vom Grünhof Freiburg. Schnell habe man die gemeinsamen Ideen in eine Form gegossen und umgehend in die Tat umgesetzt: Erzeuger von Piwi-Trauben werden nach dem Vorbild einer Genossenschaft unter Vertrag genommen und deren Trauben in der Kellerei in Eichstetten verarbeitet. Die Cuvée aus den Piwi-Sorten Souvignier Gris, Cabernet Blanc, Johanniter und Helios reift in klassischer Flaschengärung zu einem Crémant.
10.000 Flaschen beträgt die erste Charge, die neun Monate auf dem Hefelager reifte und ab Mitte November in den Verkauf kam. Vier Kaiserstühler Winzer hatten dafür im Herbst 2021 ihre Trauben angeliefert. Für die zweite Auflage kamen bereits drei weitere Winzer dazu und auch aus dem Markgräflerland hätten sich inzwischen Interessenten gemeldet, erklärt Rottmann.
Kleinstrukturen erhalten
Die Bereitschaft, auf ökologischen Weinbau umzustellen, sei durchaus vorhanden, für Mitglieder einer Winzergenossenschaft allerdings nicht so einfach und bislang nicht rentabel. Ein wichtiges Ziel des Piwi-Kollektivs sei jedoch auch, bei der Umstellung auf nachhaltigen Weinbau die regionaltypischen Kleinstrukturen zu erhalten. Diese werden in Baden zu gut 70 Prozent von Nebenerwerbswinzer:innen bewirtschaftet, die einer Genossenschaft angeschlossen sind. „Wir wollen keine Mauer aufbauen, sondern Traubenerzeuger, die auf Bio umstellen möchten, an die Hand nehmen“, betont Philipp Rottmann. Das Angebot versteht er als Ergänzung und man sei offen für Kooperationen mit Erzeugergemeinschaften. „Winzer sollen auch weiterhin bei ihren Genossenschaften bleiben, das Kollektiv kann jedoch Sammelstelle und Traubenabnehmer sein.“
Umveredlung ohne Ertragsverlust
Das vom Badischen Weinbauverband und vom Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverband (BLHV) unterstützte Projekt wird vom Staatlichen Weinbauinstitut Freiburg wissenschaftlich begleitet. Der Fokus liegt dabei auf der sogenannten Grünveredelung. Unter der Leitung von Ernst Weinmann wird erforscht, wie ein bestehender klassischer Rebstock ohne Ertragsverlust veredelt werden kann. Dieter Rösch aus Weil am Rhein hat dazu an seinen eigenen Reben Pfropfreis von einer Piwi-Sorte auf einen Stock aufgepfropft, an dem schon im nächsten Jahr Trauben geerntet werden konnten. Der große Vorteil der sogenannten „Rösch-Methode“ liegt auf der Hand: Reben müssen nicht gerodet werden und der Übergang erfolgt quasi nahtlos. Die Anlage sollte allerdings noch nicht zu alt sein.
Die von Dieter Rösch im Privaten entwickelte Methode soll nun auf zwei bis drei weiteren Testflächen erprobt werden. Winzer:innen, die dazu bereit sind, können sich bei Martin Schmidt und Philipp Rottmann unter der Telefonnummer 0176/24688686 oder per E-Mail an philipp@piwi-kollektiv.de melden.
Testflächen gesucht
Anerkennung für die Initiative zeigt derweil auch das Land Baden-Württemberg und hat im Rahmen des EIP-Projekts Fördermittel bewilligt, mit denen zwei Stellen zur Erforschung und Standardisierung der Rösch-Methode auf den neuen Testflächen geschaffen werden können.
Habt ihr schon Erfahrungen mit Piwis gesammelt – im Glas oder im Weinberg? Meldet euch bei uns, wir freuen uns von euch zu hören!