Der Wolf polarisiert zwischen „Inbegriff intakter Natur“ und „bedrohlichem Raubtier“. Ein Forscherteam der Universität Freiburg und der Hochschule Geisenheim ist nach umfangreichen Analysen zu dem Schluss gekommen, dass sich die Ausbreitung des Wolfes negativ auf Naturschutzziele auswirken könnte.
Laut der Mitteilung hat ein Team um Nicolas Schoof und Professor Albert Reif von der Professur für Standorts- und Vegetationskunde der Universität Freiburg und Professor Eckhard Jedicke, Leiter des Kompetenzzentrums Kulturlandschaft sowie des Instituts für Landschaftsplanung und Naturschutz der Hochschule Geisenheim, die bestehende Rechtslage ausgewertet und auf Basis verschiedener ökologischer Daten Konfliktlinien und mögliche Lösungsansätze aufgezeigt. Die Forschenden stellen demnach in der Fachzeitschrift „Naturschutz und Landschaftsplanung“ detailliert vor, dass sich die Ausbreitung des Raubtieres negativ auf rechtlich verbindliche Naturschutzziele auswirken könnte. Die ganze Studie findet ihr zum Download am Ende dieser Seite.
„Die wachsende Population des Raubtieres birgt Konflikte mit Weidetierhaltern und gefährdet einige Naturschutzziele“
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg in einer Pressemitteilung zu den ForschungsergebnissenHohe Wachstums und Überlebensrate
Expertinnen und Experten ordneten die in Deutschland wieder vorkommenden Wölfe zunächst der mitteleuropäischen Flachlandpopulation zu, wobei davon ausgegangen wurde, dass diese weitgehend isoliert sei, erklärt Schoof gegenüber der Presse. Neuere genetische Untersuchungen zeigten jedoch, dass die Population zumindest im Austausch mit der baltischen Wolfspopulation stehe und deshalb nur ein geringes Inzuchtrisiko existiere. Das europäische Recht sei sehr streng und lasse, anders als oft behauptet, keine Bestandsregulierung zu: „Dadurch kommt es zu einer hohen Wachstums- und Überlebensrate der Jungtiere“, sagt der Freiburger Forscher, „sodass sich der Wolf in vielen Ländern ausbreiten kann.“
Lebensräume im Bestand bedroht
Diese Lebensräume stehen – wie der Wolf auch – im Fokus des rechtsverbindlichen Naturschutzes und sind zwingend auf die Fortführung der Beweidung angewiesen. Anders als der Wolf sind diese Lebensräume in ihrem Bestand bedroht, so die Universität Freiburg gegenüber der Presse.
In vielen Fällen kann der Herdenschutz durch neue Zäune stark verbessert werden, was aber zum Beispiel in steilen Gebirgslagen nicht umsetzbar ist, teilt die Universität dazu mit. Abhängig von der Größe und Beschaffenheit der Weiden könnten Herdenschutzhunde eingeführt werden. Das sei jedoch eine ausgesprochen arbeits- und kostenintensive Option, die nur für wenige Tierhaltende infrage komme. Vor allem in halboffenen Weidelandschaften, die – so die Universität – ein essenzieller Baustein des Biodiversitätsschutzes sind, können Herdenschutzhunde nicht effektiv eingesetzt werden. Da aber gerade auf diesen Flächen die Probleme durch Wölfe ansteigen können, seien nur feststehende, wolfabweisende Zäune eine Lösung, die wiederum großflächige Weideprojekte in ihrer Raumwirkung beschränken würden.
Einzeltiere bejagen, Herdenschutz fördern
Generell stelle die zu erwartende Aufrüstung der Zaunanlagen eine massive Einschränkung anderer Wildtiere dar, die auf Weiden einen optimalen Lebensraum finden. Für die Wissenschaftler besteht aufgrund dieser Konflikte kein Zweifel, dass die ordnungsrechtlich mögliche jagdliche Entnahme problematischer Einzeltiere wesentlich vereinfacht und stringent durchgeführt werden muss. Perspektivisch müsse auch über ein umfassendes aktives Management der Wolfspopulation nachgedacht und dafür ordnungsrechtliche Änderungen ergriffen werden. Die Wolfspopulation sei aufgrund der erreichten Individuenzahlen, des eher geringen Inzuchtrisikos und des aktuell exponentiellen Populationswachstums nicht gefährdet, argumentieren sie. Einfachere Lösungen seien nicht in Sicht oder rechtlich noch nicht möglich, betont Schoof.
Zudem schlagen die Forschenden in ihrer Studie vor, dass zum einen alle erforderlichen Herdenschutzmaßnahmen vollumfänglich gefördert werden sollen. „Zum anderen könnte eine bessere finanzielle Förderung der wirtschaftlich oft unattraktiven Weidetierhaltung etwas zur Mäßigung bei den bestehenden Konflikten beitragen“, sagt Schoof. „Dadurch würde den Halterinnen und Haltern von Weidetieren deutlich gezeigt werden, dass sie wichtige Partnerinnen und Partner sind, wenn es darum geht, praktischen Naturschutz umzusetzen.“
Die Studie von Schoof et. Al. könnt ihr euch hier runterladen und lesen: Der Wolf in Deutschland
BLHV Position zum Wolf
Bolkart mahnt ein schnelles Handeln an, nicht nur weil zuletzt immer mehr Rinder vom Wolf angegriffen wurden, sondern insbesondere, weil es bald zur Rudelbildung im Schwarzwald kommen könnte: Eine Wölfin wurde Anfang 2023 erstmals im Schwarzwald nachgewiesen. Daher fordert der BLHV ähnliche Entnahmeregeln, wie sie bereits in der Schweiz umgesetzt werden: Hier sei die Entnahme von Wölfen auch nach Angriffen auf nicht ausreichend geschützte Nutztiere möglich, wenn sich die Weiden aufgrund von Topografie und Arbeitswirtschaft nicht in dem gewünschten Umfang schützen ließen, erklärt Bolkart in seinem Schreiben.
Bolkart betont zudem, dass wiederholte Wolfsattacken dazu führen würden, dass die Beweidung geschützter Lebensräume nicht mehr von Landwirtinnen und Landwirten durchgeführt werde. Da ein Großteil dieser Flächen Gemeindeeigentum sei, müssten diese dann die Kosten für die Offenhaltung tragen. Diese wäre nur eine weitere finanzielle Belastung der kommunalen Kassen. Die Änderung des Schutzstatus würde demnach viele Probleme direkt beheben und weitere gar nicht erst aufkommen lassen.
„Der Wolfsrüde GW1129m hat gelernt, Rinder zu reißen und da er dies immer wieder tut, muss er entnommen werden!“
Bernhard Bolkart BLHV-PräsidentDie BLHV-Position zum Wolf aus dem Jahr 2019: https://wirlandwirten.de/wp-content/uploads/2023/03/Positionspapier_Wolf_und_Weidetierhaltung.pdf