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Calfrail statt Milchtaxi

Calfrail auf dem Betrieb Eberhard HammerBarbara Benz
Fachbeitrag Erfahrung
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Eberhard Hammer ist einer von 18 Milchviehhaltern, die ihren Stall im Rahmen des europäischen Projektes „EIP-Rind“ um- oder neu gebaut haben. Gemeinsam mit seinen Söhnen Florian und Johannes hat er viele Besonderheiten umgesetzt – eine davon ist der Kälberstall.

Holsteiner System als Vorbild

Barbara BenzHolsteiner System Betreib Eberhard Hammer
Vorbild für den Kälberstall auf dem Sonnhof in Egenhausen bei Nagold war das System des „Holsteiner Kälberstalls“. Typisch dafür sind Einzelboxen oder Iglus auf der einen Stallseite und eingestreute Buchten auf der anderen Seite des Futtertisches.

Die Aufzucht der Kälber beginnt in „Kälbergalerien“ – drei Einzelboxen, die zu einer Einheit zusammengefasst sind. Da diese auf Rädern stehen, vermeiden sie den direkten Kontakt der Kälber mit dem Betonboden. Zudem sind sie beweglich. Nach zwei Wochen kommen die Kälber in die Gruppenbucht.

Die Gruppenbuchten sind in der Hälfte zweigeteilt. Mit Schwenktoren lassen sich die Kälber beim Entmisten entweder im vorderen oder hinteren Bereich festhalten. Der gesamte Einstreubereich wird alle vier bis sechs Wochen entmistet. Eingestreut wird dreimal wöchentlich ein Großpacken Stroh mit dem Radlader. Einstreuroboter konnten die Hammers noch nicht überzeugen.

Stallklima im Kälberstall optimieren

Das Gebäude ist mit gedämmten Sandwichpanelen eingedeckt. Ein ganzjährig angebrachtes Netz in der Dachöffnung lässt weniger kalte Luft in den Stall. Zudem ist der First nicht mittig, sondern leicht versetzt positioniert. Dadurch fällt die kalte Luft auf den breiten Futtertisch anstatt auf die Kälber in den Tiefstreuboxen. Über den betonierten und kernisolierten Seitenwänden lässt sich mit Curtains fast die Hälfte der seitlichen Wandfläche öffnen. Die Stirnseiten des Kälberstalles sind ebenfalls mit Sandwich-Elementen isoliert.

Die Kälber bleiben sechs Monate in dem Stall. In den ersten beiden eingestreuten Buchten sind an der Außenwand bewegliche Klappen angebracht, die ein Kleinklima schaffen können. Gummischürzen zum Boden verhindern Zugluft in den beiden jüngsten Gruppen.

Barbara BenzEberhard Hammer (oben Mitte) hat mit seinen Söhnen Johannes (links) und Florian diesen Kälberstall gebaut
Florian Hammer (rechts) ist für die Kälber zuständig. In der Mitte sein Vater Eberhard und links sein Bruder Johannes.

Kälberverluste minimieren

Nach mehr als zwei Jahren Erfahrung ist Sohn Florian, der für den Kälberstall verantwortlich ist, von dem System immer noch überzeugt. Er zählt auf:

  • Die Kälberverluste sind fast auf null gesunken.
  • Das Wachstum der Tiere hat sich verbessert.
  • Kälberiglus sind bei einer Bestandsgröße von rund 170 Kühen schwierig zu handeln.
  • Im ersten Jahr konnten bereits 100  Bullenkälber aufgezogen werden. 70 wurden als Fresser verkauft, der Rest im eigenen Betrieb gemästet.

Tränken mit dem Calfrail

Mit der Fütterung der Kälber in der Kälbergalerie hat Familie Hammer neue Wege beschritten. Statt über ein Milchtaxi werden die Kälber mit einem Calfrail der Firma Förster automatisch gefüttert. Das ist eine schienengeführte, mobile Saugstelle für Kälber in Einzelhaltung. Das System erkennt den Fütterungsbedarf des Kalbes und die getrunkene Menge. Es kann bis zu 32 Kälber achtmal am Tag versorgen, Vollmilch oder Milchaustauschertränke füttern. Bei Hammers füttert das System viermal täglich um 6, 12, 18 und 22 Uhr. Die Kälber erhalten eine Mischung aus 60 bis 70 % Milchaustauscher, ergänzt durch Vollmilch. In den ersten acht Tagen ist die Milchmenge auf zwei Liter pro Gabe begrenzt, insgesamt also acht Liter am Tag. Später sind es zehn Liter pro Tag.

Ein Tränkeautomat bereitet die Mischung zu und steuert die automatische Reinigung. Zudem versorgt er die Kälber in den beiden folgenden Gruppen auf Einstreu, bis sie 70 Tage alt sind. Dort ist die Einzelgabe auf zweieinhalb Liter begrenzt, zwischen zwei Malzeiten muss eine Stunde vergangen sein. Eine maximale Milchmenge pro Tag gibt es am Tränkeautomaten nicht. Ein Kollektor in der Milchkammer des Milchviehstalles sammelt die Milch für die Kälber. Von dort wird sie über eine Pipeline in den Kälberstall gepumpt.

Barbara BenzBetrieb Eberhard Hammer
So sieht der Kuhstall von Hammers aus.

Das gesamte Bauprojekt

Vor wenigen Jahren entschied sich Eberhard Hammer gemeinsam mit seinen Söhnen Florian und Johannes für eine Teilaussiedlung. Zukunftsthemen wie Tierwohl, Emissionsminderung und geschlossene Kreisläufe standen bei der Planung im Mittelpunkt. Eine wesentliche Hilfe dabei war die Aufnahme in das EU-Projekt „EIP-Rind“. Der fachliche Austausch vor allem mit anderen bauwilligen Milchviehhaltern erwies sich als fruchtbar.

Neben dem Milchvieh- und dem Kälberstall errichtete die GbR sechs Fahrsilos, eine Güllegrube, eine Maschinenhalle, eine Photovoltaikanlage und eine Biogasanlage. Für den Kälberstall waren Investitionen von 310000  Euro notwendig, gebaut wurde 2019/2020.

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