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Diese Proteinquelle unterschätzen alle

Rindimago images/Blickwinkel
Fachbeitrag
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Früher gab es bei der Rationsberechnung nur zwei grobe Kennzahlen: Rohprotein und Rohfaser. Heute heißt es nXP, UDP und Mikrobenprotein. Womit allerdings die wenigsten arbeiten: den ungenutzten Reserven in der Leber von Rindern, die es nicht verdient haben, in der Güllegrube zu landen.

Proteine werden weltweit knapper, was sie zu teuren Futterbestandteilen macht. Deshalb wird es immer wichtiger, auch an den kleinen Stellschrauben der Ration zu drehen. Es geht aber nicht nur um Geld, sondern auch um die Gesundheit der Kühe. Je höher die Milchleistung, desto besser sollte man die Ration anpassen. Prof. Markus Rodehutscord von der Universität Hohenheim erklärt, welche Rolle die drei Proteinquellen der Kuh spielen.

Quelle #1 Mikrobenprotein

Eine wertvolle Proteinquelle für die Kuh ist das Mikrobenprotein. Die Mikroorganismen im Pansen bauen zwar rund zwei Drittel des Futterproteins ab, bilden dafür aber hochwertiges Mikrobenprotein, das alle essenziellen Aminosäuren enthält. Der Motor für diese Produktion ist energiereiches Futter. Laut Rodehutscord können die Mikros zwischen 1,5 und 2,5 kg Protein pro Tag bilden. Das heißt im Umkehrschluss: Die Kohlenhydrate im Futter versorgen die Kuh nicht nur mit Energie, sondern indirekt auch mit Protein.

Universität Hohenheim/Jan WinklerFistulierte Kuh
Der Pansen mit seinen unzähligen Mikroorganismen bleibt ein wichtiges Forschungsfeld, denn viele Prozesse sind noch ungeklärt. Mit Kühen, die eine Pansenfistel, also einer Art „Fenster“ zum Pansen haben, lassen sich Verdauungsversuche durchführen, die im Labor nicht möglich wären.

Hier gibt es aber drei Haken.

1. Es lässt sich nicht eins zu eins berechnen, wie viel Mikrobenprotein aus einem Megajoule entstehen.

2. Die Proteinversorgung über die Mikros reicht laut Rodehutscord nur für 10 bis 15 kg Milch pro Tag.

3. Wer es mit dem Energiegehalt beim Futter übertreibt, riskiert, dass die Mikros ganz aufhören zu arbeiten. Denn nicht alles, was den Bedarf der Kuh deckt, ist auch gut für die Pansenflora. Hier kommt es auch auf Faktoren wie zum Beispiel den pH-Wert an. Zu viel Energie im Futter lässt diesen zu stark sinken.

Quelle #2 Futterprotein

Weil der Energiegehalt in der Ration also seine Grenzen hat, muss man sich verstärkt auf die zweite Proteinquelle der Kühe stützen: Nämlich das Futterprotein, das im Pansen nicht abgebaut wird – kurz UDP.

imago images/Joerg BoethlingMaissilage
Futtermittel mit einem hohen UDP-Gehalt sind Maissilage mit 15 bis 30 %….
imago images/CountrypixelRapsernte
…sowie Getreidetrockenschlempe (DDGS) und Rapsextraktionsschrot mit mehr als 30 %.

Leider sind diese Zahlen nur Mittelwerte. In Wirklichkeit schwankt der UDP-Gehalt von Charge zu Charge ziemlich.Dabei gibt es durchaus Möglichkeiten, diese Unsicherheiten aufzuklären. Ein Ansatz wäre, dass die Futtermittelhersteller den UDP-Gehalt auf ihren Produkten ausweisen. Rodehutscord ermutigte deshalb das Publikum dazu, diese Kennzahl auch einzufordern. Ein zweiter Ansatz wäre die exaktere Bestimmung der Proteinfraktionen, wie es zum Beispiel die USA machen mit dem CNCPS-System – auch Cornell-System genannt. Allerdings fehlt noch ein schnelles Verfahren für den Alltag.

Sicher ist: Eine thermische Behandlung kann den UDP-Gehalt eines Futtermittels um bis zu 10 % anheben. Wo herkömmliche Futtermittel den Bedarf immer noch nicht decken, können geschützte Aminosäuren oder Harnstoff sinnvoll sein. Wichtig ist aber: Der Schutz für die Proteine vor den Mikroorganismen im Pansen darf nicht so groß sein, dass sie selbst der Darm nicht mehr abbauen kann.

Quelle #3 Stickstoff aus der Leber

Die dritte Quelle spielt in der praktischen Fütterung bisher noch keine große Rolle: Stickstoff (N) aus dem sogenannten ruminohepatischen Kreislauf der Kuh. Die Leber baut überschüssigen Stickstoff zu Harnstoff um. Dieser stammt nicht nur aus der Verdauung, sondern auch aus anderen Abbauprozessen im Körper. Eigentlich ist dieser Harnstoff dazu bestimmt, über den Urin ausgeschieden zu werden.
Hier hat die Evolution aber einen Kniff entwickelt: Der Stickstoff kann über das Blut und dann den Speichel zurück in den Pansen geleitet werden. Ist die Proteinversorgung über das Futter also knapp, springt dieser Prozess an. Das lässt sich Rodehutscord zufolge gut an einem geringeren Stickstoffgehalt im Urin feststellen.

Aber was heißt das für die Rationsgestaltung fürs Milchvieh?

Knackpunkt ist die ruminale Stickstoffbilanz (RNB). Sie gibt an, ob im Pansen ein Stickstoffüberschuss oder -mangel herrscht. Bisher galt: Die RNB muss ausgeglichen sein, damit man auf der sicheren Seite ist.

Markus Rodehutscord

„Mittlerweile wissen wir, dass es auch mit einer negativen RNB geht. Aber es fehlen noch wissenschaftliche Untersuchungen dazu.“

Markus Rodehutscord Professor an der Universität Hohenheim

Rodehutscord verweist darauf, dass die Versorgungsempfehlungen für Milchkühe gerade überarbeitet werden und 2023 veröffentlicht werden sollen. Mit dem Protein aus dem ruminohepatischen Kreislauf lässt sich also das Futter effizienter nutzen. Das schont nicht nur den Geldbeutel. Es könnte auch ein Ansatzpunkt sein, um etwas der Ernährungskonkurrenz zwischen Nutztieren und Menschen entgegenzusetzen. Ein Thema, das Rodehutscord ganz oben auf der Liste der Zukunftsthemen für Tierhalterinnen und Tierhalter sieht.

Seht ihr das Thema Nahrungsmittelkonkurrenz auch als eines der wichtigsten Zukunftsthemen? Und habt ihr schon versucht eure RNB runterzufahren? Schreibt uns gerne deine Erfahrungen über das Kontaktformular oder über die Kommentare – beides direkt hier drunter.

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