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Ist Hafermilch die Lösung?

Angelika Pietschmann
Multimedia Fachbeitrag
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Vergangene Woche diskutierten Vertreter:innen von Fridays for Future Freiburg, aus der Molkereibranche, von der Erzeugergemeinschaft Bio Schwarzald Weiderind und der Außer-Haus-Verpflegung gemeinsam mit Professor Wilhelm Windisch von der TU München über die Frage, wie die Ernährung der Zukunft aussehen könnte. Mit über 100 Teilnehmer:innen war der Abend gut besucht und es wurde auch nach Ende der Podiumsdiskussion noch bis nach Mitternacht bei regionalen Häppchen und Getränken weiterdiskutiert.

Jennifer Shuler
Das Podium von links nach rechts: Bernhard Kohmann, Jule Pehnt, Katharina Lempp, Bernhard Nägele, Holger Radenz, Markus Kaiser und Prof. Wilhelm Windisch.

Professor Wilhelm Windisch vom Lehrstuhl für Tierernährung der Technischen Universität München beleuchtete in seinem Referat drei sogenannte Narrative – also Geschichten, die unsere Wahrnehmung prägen – über die Rinderhaltung: In einem Narrativ heißt es, Nutztiere seien Nahrungskonkurrenten des Menschen, Rinder seien für den Klimakiller Methan in der Atmosphäre verantwortlich und sie seien entbehrlich für die Lebensmittelproduktion. Dass dem nicht so ist, widerlegte er in seinem restlichen Vortrag.

Von einer fußballfeldgroßen Fläche müssten zurzeit drei, 2050 sogar fünf Menschen ernährt werden, legte Windisch dar. Dieser Rückgang sei nach dem Klimawandel die zweitgrößte Bedrohung der Menschheit. Er führte aus: „Weltweit sind 70 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche absolutes Grünland.“ Dieses sei erheblich produktiver als Wald. Kleegras und andere Zwischenkulturen machten in Deutschland 4 % der Ackerfläche aus; sie lieferten keinen direkten Beitrag zur Lebensmittelproduktion. Bei der biologischen Erzeugung stehe in drei von acht Jahren Kleegras auf dem Acker, nehme also fast 40 % der Ackerfläche ein.

 

Was passiert mit den Erzeugungs-Nebenprodukten?

Windisch wies auf die Bedeutung von Koppelprodukten hin: „12 % der in Deutschland jährlich erzeugten 120 Mio. t Trockensubstanz sind nicht essbare Nebenprodukte wie Trester, Kleie oder Rübenschnitzel.“ Das seien jedoch wichtige Futtermittel. Bei der Erzeugung von einem Kilogramm eines veganen Lebensmittels werden 4 kg nicht essbare Biomasse als Koppelprodukt mit erzeugt, bei biologischer Erzeugung noch deutlich mehr. Zur Erzeugung der meisten Lebensmittel sei eine Verarbeitung nötig.

Die Gesamtheit der bei der Verarbeitung zurückbleibenden nicht essbaren Biomasse müsse in den Kreislauf zurück. Drei Viertel des eingesetzten Phosphats im Getreidebau steckten in der Kleie und müssten ersetzt werden. Das treffe für alle Pflanzennährstoffe zu. Man könne zwar die nicht essbare Biomasse verrotten lassen und wieder aufs Feld ausbringen. „Das ist jedoch ineffizient. Und die Freisetzung der Nährstoffe in der Biomasse läuft ungezielt ab. Man braucht aber lagerbaren Wirtschafts- und mineralischen Dünger, der sich gezielt einsetzen lässt. Bei biologischer Erzeugung fallen doppelt so viele Emissionen an, die man dann in Luft oder Grundwasser findet“, sagte Windisch.

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Sind Nutztiere Nahrungsmittelkonkurrenten?

Windisch stellte eine weitere Rechnung an: „Ein Kilogramm Futter zur Erzeugung von Hähnchen liefert 250 Gramm Fleisch, deshalb hat Hähnchenfleisch oftmals einen guten Ruf. Dazu braucht man aber eine gute Futterqualität (Soja, Getreide), wodurch eine Konkurrenz zur Erzeugung von Lebensmitteln entsteht. Das Rind liefert aus einem Kilogramm Futter zwar nur 8 Gramm Fleisch, das Futter ist aber Gras oder Heu und kein Lebensmittel. Damit entsteht keine Nahrungsmittelkonkurrenz zwischen Mensch und Tier.“

Zum Thema „Klimakiller Kuh“ erklärte Windisch: „Heute werden deutschlandweit wesentlich weniger Wiederkäuer im Vergleich zur vorindustriellen Zeit gehalten. Das von ihnen abgegebene Methan wird innerhalb von gut zwölf Jahren abgebaut. Nur eine wachsende Tierzahl trägt zu einer weiteren Erwärmung bei. Die Abschaffung der Wiederkäuer hätte nur einen einmaligen und kurzzeitigen Klimaeffekt. Das CO2 aus fossilen Quellen wird nur langsam abgebaut, nach 1000 Jahren sind noch 15 bis 40 % in der Atmosphäre übrig.“

„Wir werden, um Ressourcen einzusparen, nicht noch mehr produzieren, sondern essbare Biomasse aus der Landwirtschaft in erster Linie direkt an den Menschen geben. Langfristig werden wir keine Futtermittel mehr auf dem Acker anbauen und damit Lebensmittel liefernde Kulturen verdrängen und auch keine lebensmitteltauglichen Erntegüter an Nutztiere verfüttern. Wir werden uns zugunsten von Umwelt und Klima auf einen massiven Produktionsrückgang bei Fleisch, Milch und Eiern einstellen müssen. Da bleibt vielleicht nur noch ein Drittel des Gewohnten übrig.“

Prof. Dr. Wilhelm Winisch Lehrstuhl für Tierernährung TU München

Kreislaufwirtschaft

Die nicht essbare Biomasse geht sowieso in den Kreislauf. Dabei werden Kohlenstoff und Pflanzennährstoffe wieder freigesetzt. Es ist also egal, ob man die Biomasse verrotten lässt wie in der veganen Landwirtschaft, sie in die Biogasanlage packt oder verfüttert – die Emissionen bleiben dieselben. Einzige Ausnahme ist das Methan der Wiederkäuer, das aber wie oben beschrieben aufgrund der kurzen Abbauzeit kaum eine Rolle spielt. Damit bedeutet die Verfütterung dieser nicht essbaren Biomasse an Nutztiere keine Zunahme der Emissionen. Die so erzeugten Lebensmittel sind klimaneutral. Den Verlust durch den Verzicht auf Verfütterung müsste eine rein vegane Landwirtschaft durch eine Erhöhung der Ernteerträge auf der Ackerfläche um 50 bis 100 % ausgleichen. Das wäre nur mit einem gewaltigen Aufwand möglich und vergrößert den ökologischen Fußabdruck.“

Laut Windisch ist die Polarisierung bezüglich Haferdrink unnötig. Von einem Kilogramm Hafer lande nur ein Drittel im Haferdrink. Der Rest wird weggeworfen oder wandert in die Biogasanlage. Verfüttert man diese zwei ungenutzten Drittel des Hafers – hervorragende Futtermittel – an ein Nutztier, erhält man den veganen Haferdrink plus das tierische Lebensmittel. So wird keine Biomasse verschwendet. Die veganen Lebensmittel sind also keine Alternative der Erzeugung, sondern Partner in einer Kreislaufwirtschaft.

Teller-Trog-Tank

Windisch unterscheidet tierische Produkte aus dieser „Basisproduktion“, also ohne Nahrungsmittelkonkurrenz zum Menschen, welche im Kreislauf geschieht und eine zentrale Rolle in der Ernährung der Zukunft spielen wird. Alles was der Mensch direkt verwerten kann landet auf dem Teller, die Nebenprodukte, welche von Tieren verwertet werden können landen im Trog, die Restprodukte aus der tierischen Produktion landen im Tank (Biogasanlage) bevor sie wieder auf dem Feld ausgebracht werden. So haben wir eine optimale Nutzung und Kreislaufwirtschaft oder Circular Economy.

Hier kann man sich die Folien von Prof. Windisch ansehen!

Podiumsdiskussion

Katharina Lempp von Fridays for Future Freiburg sagte in der anschließenden Podiumsdiskussion, sie ernähre sich aus klimatechnischen Gründen vegan. Sie wies auf die Verantwortung der Politik hin, die Preise beeinflussen könne. Man dürfe die Dringlichkeit der Klimakrise nicht vergessen. Bernhard Kohmann, Schwarzwaldmilch und Landwirt, und Bildungshaus-Geschäftsführer Bernhard Nägele forderten Bemühungen, alle in Deutschland erzeugten Lebensmittel – weniger Beliebtes eingeschlossen – auch hier zu verwerten und nicht zu exportieren.

Eine Teilnehmerin aus dem Publikum brachte die ethische Komponente bei der Tierhaltung zur Sprache. In seiner Antwort wies Markus Kaiser, Rinderhalter aus Bernau, auf Verbesserungen beim Tierwohl hin. Windisch argumentierte, die Rolle der Nutztiere im Kreislauf sei kein Widerspruch zur Einhaltung ethischer Grundsätze.

„Wir sollten jetzt handeln, sonst wird uns die nächste Generation unser Versagen um die Ohren hauen“, sagte Holger Radenz, Küchenchef des AOK-Forums in Freiburg.

Prof. Wilhelm Windisch (TU München)
Jennifer Shuler
Katharina Lempp (Fridays for Future Freiburg)
Jennifer Shuler
Bernhard Kohmann (Schwarzwaldmilch)
Jennifer Shuler
Markus Kaiser (EZG Schwarzwald Bio Weiderind)
Jennifer Shuler
Jule Pehnt (Fridays for Future Freiburg)
Jennifer Shuler
Holger Radenz (AOK Küchenchef)

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