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Mit der Kichererbse weg von der „klassischen Landwirtschaftsdenke“

Kichererbsen nach der AnsaatHein
Multimedia Erfahrung
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Kichererbsen sind in der deutschen Küche angekommen – ob als Hummus, Falafel oder einfach in Eintöpfen und Salaten. Der Anbau in Deutschland ist aber noch eine Nische. Jan-Philipp Hein aus Weikersheim im Main-Tauber-Kreis baut seit 2021 Kichererbsen an. Damals hat er zusammen mit seinem Vater entschieden, aus der Sauenhaltung auszusteigen. Begonnen hat er mit 4,5 Hektar, heute sind es schon 10 – von insgesamt 220 Hektar Betriebsfläche.

Im Interview spreche ich mit Jan-Philipp über den Anbau von Kichererbsen, aber auch über die Herausforderungen in einer Nische ganz allgemein. Dabei geht es unter anderem um die Anpassung an den Klimawandel, darum, warum die Kichererbse immer wieder grün wird und warum die „klassische Landwirtschaftsdenke“ von Gestern ist.

Ganz am Ende findet ihr noch Infos über das Projekt „Regiopakt“, bei dem Jan-Philipp mitmacht. Dort geht es nicht nur um Kichererbsen, sondern auch um andere Nischenkulturen wie Amaranth oder Quinoa. Über den Button „Inhalt“ könnt ihr auch direkt dort hin springen.

IMAGO / PanthermediaKichererbsen
So sieht sie aus, die Kichererbse im Feld.

Was es zur Kichererbse zu sagen gibt

Welche drei Dinge hättest du von deiner Nischenkultur, der Kichererbse, nicht erwartet?

Positiv überrascht hat mich die Kichererbse, weil sie auf den schlechtesten Böden in trockenen Jahren eigentlich den sichersten Ertrag bringt.

Negativ überrascht hat mich die fehlende Totreife. Sie kann zwar reif aussehen, aber dann wieder weiterwachsen. Ich kann also nicht warten, bis alle Hülsen reif sind, sondern muss abwägen, wann die meisten reif sind. Dieses Jahr ist es wieder schwierig. Sie waren schon auf einem guten Weg, aber auf den besseren Standorten wurden die Pflanzen mit dem Regen wieder grüner.

Ich hätte auch nicht gedacht, dass das Interesse der Verbraucher so groß ist.

HeinKichererbsen
Hier ein kleiner Einblick in den Kichererbsenanbau von Jan-Philipp Hein.
HeinKichererbsen
HeinKichererbsen nach der Ansaat
HeinKichererbsen
HeinKichererbsen hacken
HeinKichererbsen
HeinKichererbsen
HeinKichererbsen
HeinKichererbsen
HeinKichererbsen dreschen
Warum hast du dich gerade für Kichererbsen entschieden?

Wir sind in einer Gegend, in der es relativ trocken sein kann. Wir haben auch eine schlechte Niederschlagsverteilung und oft Vorsommertrockenheit. Da stoßen gängige Kulturen wie zum Beispiel Mais oder auch Weizen an ihre Grenzen. Das haben wir auch 2022 wieder gemerkt. Deshalb haben wir nach einer Kultur gesucht, die mit Vorsommertrockenheit und insgesamt mit weniger Niederschlag zurechtkommt – einfach um unser Risiko etwas zu streuen.

Wie vermarktet ihr die Kichererbse?

Wir vermarkten je zur Hälfte über Hofläden in der Umgebung und zur Hälfte an die LBV Raiffeisen Schrozberg. Mit der LBV sind wir auch in das Projekt gestartet, sie hat uns am Anfang die Abnahme garantiert. So konnten wir uns voll auf den Anbau konzentrieren.

Die Direktvermarktung ist eher als Nebeneffekt entstanden. Das Ziel war nicht: Ich suche ein Produkt für die Direktvermarktung, sondern in erster Linie haben wir eine Kultur gesucht, um unseren Ackerbau an den Klimawandel anzupassen.

Für die Direktvermarktung hat Jan-Philipp eine eigene Falafel-Mischung entwickelt. Sieht mega lecker aus, oder? 😛
Welche Herausforderungen gibt es beim Anbau von Kichererbsen?

Bei Nischenkulturen ist zum Beispiel der Einsatz von Pflanzenschutzmittel generell schwierig. Man braucht in der Regel für alles eine Sondergenehmigung. Natürlich muss man auch vorsichtig sein. Denn oft weiß man nicht genau, was wirkt und welche negativen Auswirkungen ein Mittel haben kann. Da muss man sich herantasten. Technisch ist die Kichererbse recht einfach zu händeln. Man kann sie mit der gängigen Technik säen und dreschen.

Vom Arbeiten in der Nische

Was empfiehlst du Kollegen, die darüber nachdenken, in eine Nische einzusteigen?

Wir haben versucht möglichst viel Wertschöpfung bei uns zu behalten, also nicht nur die Kichererbse als Rohprodukt zu verkaufen, sondern auch verarbeitete Ware. Wichtig ist, dass man versucht, vorhandene Strukturen zu nutzen. Man sollte sich also nicht gleich selbst eine Mühle anschaffen, sondern erst einmal schauen: Gibt es Kollegen in der Gegend, mit denen ich zusammenarbeiten könnte.

Eine Nische ist ein unbekannter Markt, man kann das Potenzial immer nur bedingt abschätzen. Man hat zwar eine Tendenz, aber letztlich weiß man nie, ob man mit seiner Kostenstruktur so hinkommt, wie man sich das vorstellt. Deshalb ist es immer gut, nicht gleich das Kapital in Anlagenkapital zu binden wie zum Beispiel in Maschinen.

Und dann ist es wichtig, ein Netzwerk innerhalb der Nische zu haben, um sich auszutauschen. Gerade am Anfang kann man nachfragen: Bei mir sieht es so und so aus, ist das normal? Wie sieht es bei euch aus und wie habt ihr reagiert? Es ist schwierig, alleine zu kämpfen, aber das ist natürlich auch ein Merkmal der Nische.

Gernot RaiserDLG Feldtage
Auf Feldtagen trifft man schnell Leute aus derselben Nische – aus ganz Deutschland oder sogar international.
Wie findet man solche Mitstreiter?

Zum Beispiel auf Feldtagen wie sie die DLG veranstaltet, wo auch immer wieder Nischenkulturen vorgestellt werden. Da trifft man auf Anbauer aus ganz Deutschland. Oder wenn man eine Genossenschaft wie die LBV Raiffeisen an der Seite hat, die Kontakte zu anderen Anbauern hat. Oft kann auch ein Kollege aus einer anderen Nische weiterhelfen, weil die Probleme häufig ähnlich sind, zum Beispiel wenn es um die Sondergenehmigungen für Pflanzenschutzmittel geht.

Jan-Philipp Hein

„Es ist Fluch und Segen in einer Nische zu sein. Zum einen hat man den begrenzten Markt, in dem man auch preislich eher eine Chance hat, aber natürlich sind Anbau und Verarbeitung besonders aufwändig.“

Jan-Philipp Hein Landwirt
Welche Eigenschaften muss man als Person mitbringen, wenn man eine Nische besetzen möchte?

Man muss von dieser klassischen Landwirtschaftsdenke wegkommen. Man muss sich auf neue Trends einstellen und man muss auf jeden Fall kommunikativ und offen sein, weil man auf die Leute zugehen muss und auch die Nische oft erklären muss.

Und natürlich braucht man auch ein gewisses Durchhaltevermögen. Als wir mit den Kichererbsen angefangen haben, hatten wir gleich ein schwieriges Jahr. Dann muss man einfach weitermachen und versuchen, auf die Erfahrungen zu reagieren und den Anbau zu optimieren. Ein Punkt, den ich auch wichtig finde: In einer Nische gibt es keine Vergleichspreise, an denen man sich orientieren kann. Man muss also seine Kosten sehr genau kennen, um den Preis kalkulieren zu können.

Was ist für dich „klassische Landwirtschaftsdenke“?

Das heißt für mich: Ich säe jedes Jahr meinen Weizen aus, habe immer meinen ziemlich ähnlichen Ablauf und ich gebe die Vermarktung ab. Das haben die Generationen vor uns oft so gemacht: Ich spezialisiere mich auf den Anbau und die Vermarktung gebe ich aus der Hand.

Das ist ein Punkt, der heute auch in der Ausbildung eine Rolle spielt: Zu versuchen, die Wertschöpfung zurück in den Betrieb zu holen. Das sind einfach unterschiedliche Ansätze. Wir profitieren heute von dieser Spezialisierung, die die Kosten gesenkt hat. Aber heute merkt man: Wir sind mit der Kostensenkung am Ende, wir müssen einen anderen Weg gehen.

Frühjahr, Sommer, Herbst und Winter – ein Jahr mit der Kichererbse im Zeitraffer. Die Vermarktung gehört auch dazu.

Regiopakt – Nischen in der Region stärken

Nischenkulturen passen perfekt nach Süddeutschland. Das finden die Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen und die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Gemeinsam haben die beiden das Projekt „Regiopakt“ gestartet, in dem sich alles um pflanzliche Nischenkulturen dreht. Schauplatz ist die Region Franken-Hohenlohe, wo auch Jan-Philipp seinen Betrieb hat. Es geht vor allem um Kulturen wie Kichererbsen, Quinoa oder Amaranth, die durch den Klimawandel auch bei uns zur Option werden könnten. Eines der Projektziele ist eine Wissensdatenbank für Nischenkulturen vom Acker. Könnte nützlich sein 😉

Wichtig ist dem Projekt-Team außerdem eine regionale Wertschöpfungskette. Digitale Technologien sollen dabei helfen, zum Beispiel um Erzeuger:innen und Verbraucher:innen näher zusammenzubringen.

Das Projekt wird vom Bundeslandwirtschaftsministerium mit 2,2 Millionen Euro gefördert.

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