Wie können Kälber aus der Milchviehhaltung gesund und stark ins Leben starten? Mit der muttergebundenen Kälberhaltung hat Familie Schmeh diese Frage schon vor über 30 Jahren für sich beantwortet, lange vor der Umstellung auf biologische Landwirtschaft und der Umstellung von der traditionellen Anbindehaltung zum Tiefstreulaufstall.
Eine 240 Quadratmeter große Liegehalle hat Hans Schmeh 2007 an den bestehenden Anbindestall angebaut. Die Atmosphäre hier im Tiefstreulaufstall erinnert an die Sofaecke im Familienwohnzimmer; im ehemaligen Anbindestall sind Fressplätze und ein 2x2er Tandem-Melkstand untergebracht. Ein Großteil der 30-köpfigen Milchviehherde ist auf der großen Liegefläche anzutreffen, und ein Großteil der Kälber wird hier geboren. „Wir streben auch aus arbeitswirtschaftlichen Gründen eine saisonale Abkalbung an. Die meisten Geburten liegen bei uns zwischen Januar und März“, erklärt Hans Schmeh.
Für die Kalbinnen, die ihr erstes Kalb bekommen, und für die Tiere, bei denen aus anderen Gründen Komplikationen bei der Geburt zu erwarten sind, steht eine Abkalbebox zur Verfügung; im Normalbetrieb gebären die Tiere in der Herde. Der Betriebsleiter beobachtet: „Insbesondere die Kalbinnen, die ja selbst noch keine Geburt erlebt haben, schauen sehr interessiert zu. Die anderen Tiere bezeugen das Geschehen, ohne zu stören. Und wenn das Kalb auf der Welt ist, wird es von allen begrüßt.“
So kann kuhgebundene Kälberaufzucht ablaufen
In einem Zeitraum von zehn Tagen – so die Erfahrung auf dem Hagenweilerhof – hat ein Kalb genug Mutterkontakt getankt, um sich sukzessive in die Selbständigkeit zu bewegen. So lange laufen die Kälber in der Herde mit, so nah an der Seite der Mutter, wie sie es wollen und brauchen.
„Ein intensiver Mutter-Kalb-Kontakt ist in den meisten Ställen möglich. Der Wille, auf muttergebundene Kälberhaltung umzustellen und pfiffige Ideen, wie es unter den eigenen Voraussetzungen im Stall umsetzbar ist, sind dabei die besten Helfer“
Hans Schmeh LandwirtDen ersten Schritt der Abkopplung bildet die Kälberbox – ein mit Holzbrettern abgetrennter Bereich am Rand der großen Liegefläche. Hier verweilen die Kälber bis zum Ende des ersten Lebensmonats. Die Mütter sind dann meist eng an die Trennwand liegend anzutreffen; durch die Bretter hindurch können sie ihren Nachwuchs sehen und bei Bedarf auch beschnuppern und berühren. Nur das Euter steht nicht mehr als 24-Stunden-Tankstelle zur Verfügung. Lediglich zu den Melkzeiten werden die Kälber aus ihrem Separee entlassen, können am Euter trinken und sich anschließend in der großen Liegehalle austoben. Die ganze Zeit über werden die Kühe regulär gemolken. „Die Kälber trinken ja nur einen Teil der Milch, und das anschließende Ausmelken ist zum Vorbeugen von Euterentzündungen essentiell“, erklärt Hans Schmeh.
Erst nach 30 Tagen erfolgt die vollständige Trennung von Mutter und Kalb, das dann von der Kälberbox in den Kälberstall mit Auslauf umzieht, in eine Gruppe mit gleichaltrigen Tieren. Nun gilt es für Hans Schmeh, die Tiere vom Euter an den Tränkeimer umzugewöhnen. Das braucht seine Zeit, die sich für den Betriebsleiter jedoch als wertvoll erweist. „Die Kälber lernen nicht nur, aus dem Saugeimer zu trinken. Sie lernen auch: Das, was ich zum Leben brauche, bekomme ich jetzt vom Menschen. In der Umgewöhnungsphase entsteht ein naher Kontakt zum Tier, der sich später immer wieder auszahlt. Unsere Kühe und Mastochsen sind alle sehr zahm und umgänglich – so ist die Arbeit mit den Tieren müheloser, im Alltag und auch, wenn es ums Verladen geht“, erklärt er.
Kühe und Kälber auf der Weide
Sobald die Grasnarbe im Frühjahr stabil ist, werden die Stalltore geöffnet. Die Milchkühe haben kontinuierlich Zugang zur Weide, und auch die Absetzer sind tagsüber auf den arrondierten Weideflächen direkt am Hof anzutreffen. Die ein bis zweijährigen Mastochsen und Kalbinnen verbringen den ganzen Sommer auf der Weide an einem gepachteten Stall in 20 Kilometer Entfernung zum Betrieb.
Die Herde besteht aus Fleckvieh – die Zweinutzungsrasse bewährt sich. Eine Milchleistung von 5.000 bis 5.500 Litern im Jahr erreichen sie zum Großteil aus Grundfutter. Die Ochsen überzeugen durch eine gute Fleischqualität und haben zum Schlachtzeitpunkt ein Lebendgewicht von 300 bis 340 Kilogramm. Von April bis August läuft in einem Teil der Herde ein Bulle mit. Ausgewählte Kühe werden separiert und gezielt mit passendem Erbgut besamt.
30 Jahre Erfahrung zeigen: Die Kälber sind gesünder
Rund 500 bis 600 Liter Milch je Kalb landet bei diesem Haltungsprinzip direkt vom Euter im Kälbermagen anstatt im Milchtank. Dennoch kann Hans Schmeh in der muttergebundenen Kälberhaltung weder finanzielle noch arbeitswirtschaftliche Nachteile entdecken, und zwar unabhängig von der Haltungsform. Seine Eltern haben sie bereits im Anbindestall etabliert. Das Hauptargument für die ungewöhnliche Haltungsform ist und bleibt für ihn die Vitalität und die Gesundheit der Tiere. Hans Schmeh beobachtet: „Die Kälber haben wenig Stress, und mein Eindruck ist, dass sich das ein ganzes Leben lang auszahlt. Bei den Kälbern haben wir selten Probleme mit Durchfall und die ganze Herde ist gesund und ausgeglichen.“
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Noch nicht genug?
Hier gibt es noch mehr Erfahrungen zum Thema:
www.kuhgebundene-kaelberaufzucht.de
Und sonst so?
Hof No 17: 540 Kühe bei Familie Ramm