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Selbst ist die Frau

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Fachbeitrag Erfahrung
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Diese Vorteile sprechen für die Hofschlachtung

Pionierin Mechthild Knösel vom Hofgut Rengoldshausen bei Überlingen setzt auf die Hofschlachtung. Nach längerer Vorbereitungszeit wird nun seit Februar alle zwei Wochen  dort geschlachtet – Tendenz steigend.  Bei der Hofschlachtung gehe es ihr in erster Linie um das Tierwohl und erst in zweiter Linie um die Fleischqualität, erklärt Mechthild Knösel.

Weniger Stress durch bestimmte Maßnahmen

Sie ist seit 2006 für die Rinder auf dem Hofgut Rengoldshausen verantwortlich. Die Herde  auf dem Demeter-Betrieb umfasst  rund 150 Tiere.  Kuh und Kalb stehen in Rengoldshausen gemeinsam auf der Weide.  Nach zwei Jahren werden die gemästeten Färsen  oder Bullen geschlachtet.  Milchkühe werden natürlich seltener geschlachtet, Kälber gar nicht.

Knösel setzte sich seit fünf Jahren dafür ein, dass die Hofschlachtung  genehmigt wird.  Während der Sommermonate holt sie  das Tier, das geschlachtet werden soll, von der Weide. Einen Tag vor der Schlachtung steht es inmitten seiner Artgenossen  am Futterplatz im Offenstall. Der Schlachtanhänger, ein Prototyp der Firma Uria, gebaut nach den Wünschen des Hofguts, steht in Sichtweite, um das Tier daran zu gewöhnen.

Mechthild Knösel zeigt ihr Bolzenschussgerät

Und so geht’s…

Am Folgetag wird das Schlachttier fixiert, während es zwischen seinen Artgenossen steht.  Knösel geht in der kleinen Herde auf das betreffende Tier zu und setzt ihm einen Bolzenschuss in die Stirn. Der Tod kommt für das Tier überraschend und schnell. Das Rind ist durch die Zerstörung des Gehirns betäubt, wie hirntot. Dann geht alles sehr schnell.  60 Sekunden Zeit hat die Bäuerin, um das Rind in den Schlachtanhänger zu ziehen. Hier folgt ein Schnitt in die Brust, um den Tod doppelt abzusichern und das Tier auszubluten.

Danach geht es zum Schlachthof der Fairfleisch-Initiative Überlingen. Der Schlachtanhänger ist mobiler Teil von Fairfleisch, die sich für artgerechte Haltung der Tiere und einen ethischen Tod einsetzen. Der Weg zum  Schlachthof ist für Schlachttiere aus der Region zwar relativ kurz, vom Hofgut aus gesehen sind es etwa 15 Minuten. Im Schlachthof werden die Tiere mit der identischen Methode wie auf dem Hofgut getötet. Dennoch sei die Hofschlachtung sehr viel stressfreier, da dem Tier Transport und Aufenthalt im Schlachthof erspart blieben, sagt Knösel.

Die Landwirtschaftsmeisterin hat eine Sachkundeprüfung  in einem Schlachthof in Balingen absolviert und dabei  ihre Fertigkeit im Töten  in  Theorie und Praxis unter Beweis stellen müssen. Sie zeigt den Bolzenschussapparat, den sie dafür verwendet. Emotional, nicht sentimental nennt die Kuhfrau die Verbindung zu ihren Tieren.

„Ich bedanke mich bei dem Tier, sage ihm, was passiert, und verabschiede mich vor dem Todesschuss von ihm, denn das Töten des Tieres ist ein sehr intimer Prozess. Damit ist dann allerdings auch für mich die Bindung erloschen.“

Mechthild Knösel Landwirtin aus Rengoldshausen

„Ich will für mein Tier bis zur letzten Minute da sein“

Es sei für sie von elementarer Bedeutung, ihre Tiere selbst zu töten. „Ich will es meinem Tier nicht zumuten, mich im letzten Moment zu verkrümeln. Auch eine fremde Person, die es dann tötet, bedeutet für mein Tier Stress.“ Das eigenhändige Töten ihrer Tiere sei für sie eine große Überwindung gewesen. Die habe sie nur in der Gewissheit bewältigen können, dadurch viel zum Tierwohl  beizutragen.

Noch besser wäre es, die Rinder auf der Weide zu töten, sagt Mechthild Knösel. Aber hier weiche Deutschland vom geltenden EU-Recht für eine Weideschlachtung ab – was Knösel für fragwürdig hält. In Deutschland  dürfe der Kugelschuss nur dann eingesetzt werden, wenn die Herde ganzjährig im Freien gehalten werde. Die Herde von Mechthild Knösel steht acht Monate im Jahr draußen. „Eine absurde Regelung, da in unseren Breitengraden eine ganzjährige Weidehaltung unmöglich ist“, sagt Knösel.

Das Hofgut Rengoldshausen hat beim Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) eine Studie in Auftrag gegeben, die eine deutlich verbesserte Fleischqualität durch stressfreie Hofschlachtung  nachweisen soll. „Ein gestresstes Tier lässt den Stress im Fleisch. Wir machen eine Studie mit Blutproben“, erklärt Knösel. „Die Hofschlachtung ist ein regionales Projekt, unser Ziel ist es, dass auch andere Landwirte in der Region unsere Erkenntnisse nutzen können.“

 

Der Trend im Fleischkonsum ändert sich

Natürlich schlage sich die aufwendigere Schlachtmethode auch auf den Preis nieder, sagt Mechthild Knösel. Aber auch der Fleischkonsum der Menschen ändere sich: „Weniger Fleisch in höherer Qualität kommt an, wir haben keine Absatzprobleme“, erklärt sie. Vertrieben wird das Fleisch aus der Hofschlachtung im eigenen Hofladen und über die „Grüne Kiste“, ein hofeigenes Liefersystem.

Beim Bolzenschuss  dringt munitionsgetrieben ein etwa 20 Zentimeter langer Metallbolzen aus dem handlichen Schussapparat in das Gehirn des Tieres ein. Mechthild Knösel übte dies zunächst an einem Holzklotz. Der Metzger Lallathin in Heiligenberg-Eck begleitete sie bei ihrem Lernprozess und stellte ihr auch einen Tierschädel zu Übungszwecken zur Verfügung.

Auch im Schlachthof Überlingen übte Knösel das Töten des Tieres. Immer sei ein Profi an ihrer Seite gewesen, der im Falle eines nicht sachgemäßen Schusses das Tier sofort hätte töten können, erklärt Knösel.

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